Die Mosel immer fest im Blick

ENKRICH. Jährlich fahren mehr als 16 000 Frachtschiffe die Mosel auf- und abwärts. Sie transportieren Kohle, Koks, Erze, Schrott, Eisen, Baustoffe oder Futtermittel zwischen Koblenz, Luxemburg und Frankreich hin und her. Eines davon ist die "Aqua-Myra" aus Rotterdam, die Leo und Myra Verburg gehört. Die Eheleute, beide mit Kapitänspatent, befährt seit sieben Jahren auch die Mosel. Ständig mit an Bord sind ein Matrose, zwei kleine Kinder und der Familienhund.

Lange hat es Leo Verburg aus Rotterdam nicht an Land ausgehalten. Er wurde sozusagen auf dem Fluss geboren und verbrachte seine Kindheit auf dem Frachtschiff seiner Eltern. Nachdem er ein paar Jahre als Elektriker in Immobilien an Land gearbeitet hatte, packte ihn wieder die Sehnsucht nach der Mobilität und Abwechslung auf dem Fluss. "Ich will mein eigenes Schiff", beschloss der damals 26-Jährige, und das bedeutete: Ein Kapitänspatent für Binnenschifffahrt und ein Bankkredit mussten her. Nach zwei Jahren fleißigen Büffelns am Abend erhielt er die notwendigen Lizenzen. Auch die Bank vertraute dem jungen Kapitän und gewährte den Kredit zum Kauf der 1,3 Millionen Euro teuren "Aqua-Myra". Damit das stolze 85 Meter lange, 11,45 Meter breite und 1400 PS starke Schubschiff in zwölf Jahren Leo und Myra Verburg ganz allein gehört, muss das Schifferpaar noch viele tausend Tonnen Güter transportieren. Die "Aqua-Mira" befährt nicht nur die Mosel, sondern auch den Rhein, den Main, die Donau bis Österreich oder Ungarn und die Binnengewässer Hollands und Belgiens. "Unsere jetzige Ladung von 1600 Tonnen Streusalz muss in zwei Tagen in Perl sein", erklärt Verburg, als er sein Schiff auf dem Weg dorthin in die Enkircher Schleuse einfährt. Dabei beweist der Kapitän viel Fingerspitzengefühl, denn die Schleuse ist nur zwölf Meter breit. Von Perl gehts nach Thionville, wo eine Fracht für den Transport zurück nach Rotterdam aufgetrieben werden muss: "Leerfahrten können wir uns nicht leisten." Der Konkurrenzkampf unter den Frachtschiffern wird immer größer, klagt Verburg. Und wie bei den LKW-Fahrern auf den Straßen ist auch bei den Flussschiffern der Termindruck sehr stark: "Zeit ist Geld und der Verlust groß, wenn wir nicht pünktlich zum Löschen der Waren im Hafen eintreffen", betont der Kapitän. Ein Ärgernis sind für ihn daher die oft langen Wartezeiten an den Schleusen, denn die Vorschrift, dass Fahrgastschiffe Vorrang beim Schleusen haben, versteht er nicht: "Wir müssen uns zwar an keinen Fahrplan halten, haben aber auch unsere Termine." Verburg hat's gut, denn seine Lieben sind immer um ihn. Der Steuerraum ist nicht nur Arbeitsplatz, sondern gleichzeitig Treffpunkt der Familie: Auf einem Podest hinter dem Kapitänssitz steht sicher das Laufställchen des quirligen Babys. Von dort hat der neuneinhalb Monate alte Damian wie Papa die Mosel voll im Blick.Jede Stunde eine andere Aussicht

Seine dreijährige Schwester Danique kniet singend auf einer Sitzbank und breitet ihre Malstifte aus. Und Schmusehund Lisa kuschelt sich zum Mittagsschläfchen an die Füße des Kapitäns. Große Angst, dass ihre Kinder über Bord gehen, hat Mutter Myra Verburg nicht. "Danique weiß ganz genau, dass sie den ganzen Tag nicht raus darf, wenn sie in verbotene Bereiche läuft." Wenn die Kleine sechs Jahre alt ist, wird sie - wie einst ihre Eltern - ein Internat besuchen. Die Mutter gibt zu: "Sicher, die Trennung wird am Anfang schwer sein. Aber das Zusammensein mit anderen Kindern wird ihr gefallen. So leben wir Schiffer eben." Myra Verburg liebt es, ständig in verschiedenen Ländern unterwegs zu sein und möglichst viel vom dortigen Leben kennen zu lernen. Der Privatbereich der Familie im Bauch der "Aqua-Myra" ist geräumig und komfortabel wie eine "normale" Wohnung an Land. "Wir haben alles, was wir brauchen und mehr", sagt die Schiffersfrau: "Wer hat schon stündlich eine andere Aussicht vor dem Fenster?" Die 33-Jährige ist nicht nur für die Versorgung der Familie zuständig. Auch sie hat das Binnenschifferpatent und wechselt sich mit ihrem Mann am Steuer des Schiffs ab. Auf diese Weise kann die "Aqua-Myra" rund um die Uhr fahren, um ihre Fracht schnell zum Zielhafen zu bringen.

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