Die Nacht der langen Brotlaibe

BRAUNEBERG. (lm) Mehr als 200 Backstuben in ganz Deutschland hatten zur Nacht der offenen Tür eingeladen. In der Brauneberger Bäckerei Fleury konnten Besucher hautnah beim Wirken, Kneten und Kreieren dabei sein. Und natürlich durfte auch geprüft und probiert werden.

Die kleine Backstube in der Brauneberger Moselweinstraße ist erfüllt vom warmem Duft von Brot und Kaffee. Wohlfühldüfte, wie sie viele noch aus der Küche der Großmutter kennen. Entsprechend wohlig sehen die Gesichter der zahlreichen Besucher aus, die sich zwischen Ofen, Knetmaschine und Mehllager drängen. Mittendrin wirbeln Bäckermeister Karsten Fleury, Lehrling Ines Zimmermann und Geselle Alexander Dell. Das Interesse der Zuschauer scheint sie regelrecht anzuspornen. Keine schüchterne Frage, die nicht sofort beantwortet oder gleich in der Praxis demonstriert wird. Was ist der Unterschied zwischen Vollkorn- und herkömmlichem Mehl? Wie forme ich ein klassisches Brötchen? Bitte sehr! Dass Karsten Fleury seinen Beruf liebt, sieht man ihm an. Wenn die Brotlaibe rehbraun dampfend in Fünferreihen aus dem Ofen kommen, dann leuchten seine Augen auf. Mit seinen 33 Jahren ist er der unumstrittene Chef in der Backstube. Seine Ruhe und Übersicht scheinen auch durch das ungewohnte Gewusel nicht beeinträchtigt zu werden. Mit der ihm eigenen Nonchalance balanciert Fleury die heißen Bleche durch die Zuschauer, ohne diesen je den Eindruck zu geben, im Weg zu stehen. Mutter Anni Fleury bestätigt den harmonischen Eindruck in der Backstube. Mit ihrem ältesten Sohn Karsten und den übrigen Angestellten bilde sie eine verschworene Backgemeinschaft. "Nur so kann heute noch ein Familienbetrieb überleben." Besonders wichtig seien aber auch Karsten Fleurys Engagement und Ideenreichtum. So war es für ihn selbstverständlich, bei der bundesweiten Nacht des Backens mitzumachen. Organisiert wird die Aktion von der eigens gegründeten Arbeitsgemeinschaft "Nacht des Backens", einem Zusammenschluss aus Bäckermeistern, Verlegern und Marketing-Fachleuten des Backhandwerks. Gegengewicht zu eingeschweißten Brötchen

So soll die Aktion, die in Zukunft jährlich stattfinden wird, ein Gegengewicht zu den eingeschweißten Brötchen von Prebake Stationen und Fertigkuchen aus der Discounter-Tiefkühltruhe bilden. Die Teilnehmer wollen zeigen, warum handwerklich hergestellte Backwaren nicht billig sein können, aber ihren Preis wert sind. Neben der Werbung für seinen Betrieb hofft Fleury damit aber auch das Backhandwerk von seinem Ruf als hässliches Entlein der Handwerkerzunft zu befreien. "Wer nur das frühe Aufstehen im Kopf hat," empört er sich, "unterschätzt die Kreativität, die mit diesem Beruf verbunden ist. Der Kunde will immer wieder aufs Neue überrascht werden." Das wussten mehr als 70 Besucher zu schätzen, die sich von 20 Uhr bis weit nach Mitternacht in der Fleuryschen Backstube die Klinke in die Hand gaben. Einer von ihnen ist Walter Fischer aus Schönborn bei Diez, der bereits zum sechsten Mal seinen Urlaub in Brauneberg verbringt. Er hat eine ganze Gruppe Feriengäste in die Fleurysche Backstube mitgebracht. "Ich wollte schon immer mal wissen, wo die langen Laibe herkommen, die wir zur Brotzeit kaufen." Jetzt weiß er es. Für Fischer hat sich die "Nacht des Backens" zu einer regelrechten Touristenattraktion entpuppt, die er auch im nächsten Jahr gerne wieder wahrnehmen wird.

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