Die Steillage ist gerettet

REIL. Das Werk ist vollbracht. Michael Heimes ist erleichtert, aber auch stolz. In vier Jahren hat er fast ganz allein eine zehn Meter breite und bis zu 3,30 Meter hohe Weinbergsmauer aus Bruchsteinen in der Terrassenlage "Reiler Moullay-Hofberg" wieder aufgebaut.

Vier Jahre Arbeit, viele Samstage allein im Wingert, schwere Steine schleppen und tonnenweise Erdreich nur mit Schaufel und Hacke hin- und her bewegen, und das alles ganz freiwillig und ohne großen wirtschaftlichen Nutzen: Wer so etwas macht, muss schon ein ganz besonderer Idealist sein. Michael Heimes ist so ein Mensch.Viel Frucht und Mineralität

Dem 48-Jährigen, im Hauptberuf ist er Landschaftsarchitekt bei der Stadt Trier, hat es ein Weinberg, den sein Schwiegervater einst bewirtschaftete, besonders angetan. 2400 Quadratmeter groß ist die Parzelle in der Steillage "Moullay-Hofberg", Weinkenner schätzen die dort gewachsenen Weine wegen ihrer ausgesprochenen Frucht und Mineralität. Im April 2001 brach die große Bruchsteinmauer der Terrassenlage, die zu Teilen aus dem 19. Jahrhundert stammt und an der vermutlich seit 70, 80 Jahren nichts mehr gemacht wurde, nach einem Stark- regen auf einer Länge von acht Metern ein. Rund 40 Kubikmeter Steine, manche davon zentnerschwer, Geröll und Erdreich rutschten 25 Meter tief den Hang hinab. Im Herbst des selben Jahres begann Heimes mit dem Wiederaufbau. Er schleppte Steine nach oben, legte den Felsen frei, auf den er ein Betonfundament setzte, verband Fundament und Felsen mit Stahlankern und begann, Stein um Stein aufeinander zu schichten. Nicht einfach willkürlich, sondern nach einem bestimmten System, damit die Mauer, die ganz ohne Mörtel und Zement auskommt, später auch die dahinter liegende schwere Last tragen kann. Wie schafft man so etwas? "Indem man ruhig und gelassen seine Arbeit tut, ohne Hektik und ohne den Zwang zu einer ganz bestimmten Zeit fertig zu sein", sagt Heimes. 400 Stunden hat er etwa an der Mauer geschafft, meistens samstags drei, vier Stunden lang. "Den ganzen Samstag wollte ich nicht opfern, ich hab' ja noch Familie", sagt der Vater dreier heranwachsender Söhne. Gelegentlich halfen ihm Freunde. Zuletzt musste das Erdreich mit der Schaufel von unten wieder auf und hinter die fertige Mauer geschafft werden. Allein hätte er dafür viele Tage gebraucht. Ausgleich für Geist und Körper

Für Heimes ging es neben dem Erhalt eines Stücks Landschaftskultur auch um einen geistigen und körperlichen Ausgleich zur alltäglichen Arbeit. Stunden lang allein in einer abgelegenen Steillage mit Blick ins Tal, das tue auch der Seele gut. Jetzt, wo die Mauer fertig ist, will er den Weinberg, der im Jahr 1959 gepflanzt wurde, auf Drahtrahmenerziehung umstellen. Das ist ebenfalls ein gutes Stück Arbeit, zumal er zusätzlich Jahr für Jahr damit beschäftigt ist, den Weinberg von Hecken und Gebüsch freizuhalten, weil viele benachbarte Parzellen bereits brach liegen. Doch wenn er im Herbst mit Freunden und Bekannten die Trauben erntet, weiß er, dass sich die Mühen gelohnt haben. Dann ist die Arbeit im Weinberg nur noch halb so beschwerlich, dann wird zusammen geschafft und gelacht, getrunken und gegessen.

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