"Die Wahrheit muss gesagt werden"

TRABEN-TRARBACH. Martin Schmitz musste als junger Mann eine unmenschliche Qual erleiden. Er wurde, weil er Jude war, mit seinen Eltern nach Auschwitz deportiert. Martin Schmitz hat das Grauen überlebt. Aufgewachsen ist er in Traben-Trarbach. Am Dienstagabend berichtete er in seiner Geburtsstadt über sein Leben.

Zwei Stunden lang war es mucksmäuschenstill im großen Sitzungssaal Alter Bahnhof Traben-Trarbach. Das, worüber der der heute 84-jährige Martin Schmitz erzählte, berührte jeden der über 100 Zuhörer im vollbesetzten Saal. Martin Schmitz erlebte eine unbeschwerte Jugend in Traben-Trarbach - bis sich die Nazis in der Stadt breit machten; dann der Umzug ins etwas sicherere Köln und schließlich am 28. September 1941 die Deportation nach Auschwitz (der TV berichtete über sein Leben ausführlich am 27. Januar 2006). Schmitz erzählte ruhig und sachlich. Nur dann, wenn er über den Moment sprach, als er an der Rampe in Auschwitz seine Eltern zum letzten Mal sah, und er sich die gesehenen und erlittenen Grausamkeiten der SS-Schergen in Erinnerung rief, hielt er kurz inne. Diese Bilder sind in seinem Gedächtnis eingebrannt, sie lassen sich kaum beschreiben. Schmitz verspürt heute keinen Hass, sagt aber: "Ich verachte nur, wenn man nicht die Wahrheit sagt." Zu der Vortragsveranstaltung, der vor allem viele ältere Traben-Trarbacher beiwohnten, hatten die Stadt und der "Arbeitskreis für Heimatkunde" eingeladen. Schmitz hält seit vier Jahren Vorträge an Schulen und vor Soldaten der Bundeswehr. In seiner Geburtstadt hatte er bislang noch nicht über sein Leben erzählt. Erst nach dem Vorschlag eines Bürgers, in Form von "Stolpersteinen" an die Juden von Traben-Trarbach zu erinnern und dem TV-Artikel, setzte eine heftige Diskussion in der Stadt ein.Gedenktafel am Rathaus

Martin Schmitz sagte zu Beginn seines Vortrages: "Es wird Zeit, dass an dieses dunkle Kapitel und an das Schicksal der Vertriebenen und Ermordeten gedacht wird." Er schlug vor, eine Gedenktafel an der Außenwand der Rathauses in Trarbach anzubringen. Auch einen Gedenkraum im Mittelmosel-Museum hält er für angebracht, aber erst dann, wenn die räumlichen Voraussetzungen geschaffen sind. Bürgermeisterin Heide Pönnighaus versprach: "Wir werden etwas machen. Es muss aber in aller Ruhe durchdacht werden, denn das Thema ist sehr emotional." Häftling Schmitz mit der eintätowierten Nummer 141517 wurde 1945, als er dem Tode nahe war, von den Engländern aus dem KZ Bergen-Belsen befreit. Schon wenige Monate später kehrte er zurück nach Traben-Trarbach - allein, ohne Eltern und Verwandte. Im Dezember 1945 heiratete er, er blieb bis 1951 in seiner Geburtsstadt und zog dann nach Bernkastel-Kues, wo er beim Landratsamt eine Stelle antrat. Viele Leidensgenossen konnten damals nicht verstehen, dass er wieder nach Traben-Trarbach zurückkehrte. "Aber dort war doch mein Zuhause", sagt er heute mit einer beeindruckenden Selbstverständlichkeit. All die Demütigungen, die er als Kind und Jugendlicher von fanatischen Lehrern und manchen Erwachsenen erleiden musste, hat er nicht vergessen, aber er verspürt keinen Hass. Schmitz: "Ich glaube, dass ich richtig gehandelt habe, nach Traben-Trarbach zurückzugehen." Gegen Ende des Vortrags kam sogar eine unbeschwerte, teilweise humorvolle Diskussion auf. Alte Traben-Trarbacher erinnerten sich mit Schmitz an "alte Zeiten". Namen wurden genannt, Erinnerungen ausgetauscht. Sogar ein alter Fußballkamerad, Alex Burger aus Pünderich, war gekommen. Beide hatten sich über 50 Jahre nicht mehr gesehen.

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