Die letzten Widerstandskämpfer

BINSFELD. Der Streit um Fluglärmentschädigung ist noch nicht zu Ende: In zwei der drei verbleibenden Verfahren machten sich gestern Richter vor Ort selbst ein Bild vom Lärm.

"11.15 Uhr, Zwei Flieger in geringer Höhe: Der Sachverständige erklärt, der Geräuschpegel liege bei 74 dB Punkt." Walter Truson, Vorsitzender Richter beim Oberlandesgericht (OLG) Koblenz, schaltet sein Diktiergerät wieder aus. Mit einer ganzen Reihe von Männern in Anzug und Krawatte ist Truson heute in den Garten der Binsfelder Familie Döhr gekommen. Zur Gruppe gehören zwei weitere Richter, der Lärmsachverständige des Gerichts, ein Mann des Bundesverteidigungsministeriums, mehrere Mitarbeiter des Bundesvermögensamtes samt Chef Claus Niebelschütz, die beiden Kläger und die Anwälte beider Seiten.Neue Vorschläge für den Vergleich

Es geht um zwei der letzten drei Verfahren wegen Fluglärmentschädigung in Binsfeld. "Wir wollen uns einen persönlichen Eindruck von der Lärmbelästigung machen", erklärt Richter Truson. Und den bekommen die Juristen. Bis zu 95 Dezibel misst der Sachverständige Dr. Kühnert. Lärm bei dem man sich beim besten Willen nicht mehr unterhalten kann. Doch beim Ortstermin geht es um mehr. Abseits werden die Köpfe zusammengesteckt, Summen neu austariert. Ob die Kläger, Elmar Döhr und Kurt Müller, einen neuen Vergleich eingehen wollten? Rund 90 Binsfelder waren auf einen 2002 vom Bund vorgeschlagenen Vergleich eingegangen. Für ihre Entschädigung mussten sie einen Grundbucheintrag hinnehmen, mit dem sie die uneingeschränkte Duldung des Flugplatz-Betriebs in Spangdahlem und des mit dem Betrieb verbundenen Fluglärms akzeptierten. Auch zu den Vergleichen, die Döhr und Müller nun angeboten werden, gehört der Grundbucheintrag. Doch zu einer Einigung kommt es nicht. Döhr würde den neuen Vorschlag zwar akzeptieren, doch Müller sagt Nein zum Grundbucheintrag. Und das Bundesvermögensamt will nur einen Vergleich mit beiden. "Warum besteht der Bund so auf diesem Grundbucheintrag, wenn er doch angeblich keine Auswirkungen hat?" Müller macht aus seinem Misstrauen keinen Hehl. Er hat das Haus, um das es geht, von seiner Tante geerbt und die hatte vor 15 Jahren begonnen, sich mit dem Bund wegen der Entschädigung zu streiten. Er versteht nicht, warum der Eintrag so wichtig sein soll, wenn für nachfolgende Hausbesitzer laut Gericht klar ist, dass sie in den Lärm gebaut hätten und nicht klagen dürften. Er will auch der Aussage des Richters nicht glauben, der Eintrag hindere ihn nicht daran, gegen einen Ausbau zu klagen. Wie Döhr vertraut er viel mehr dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes Rheinland-Pfalz. Das besage, dass der Grundbucheintrag generell auf wackligen Füßen stehe und er eine Klage erschwere. Das wollen die letzten Widerstandskämpfer nicht in Kauf nehmen. Wer weiß schon, was nach den Amerikanern kommt? Für Döhr deutet alles darauf hin, dass die Amerikaner sich verabschieden werden. Kommt auf dem erweiterten Flugplatz dann einer der größten deutschen Frachtflughafen? Kommt das Luftfracht-Drehkreuz der Post-Tochter DHL, das für den Hahn gerade eine Absage kassiert hat? Oder die Nato? An Spekulationen mangelt es nicht in Binsfeld. Und auch nicht an Hoffnung. "Vielleicht erreichen wir doch noch, dass der Grundbucheintrag zurückgenommen wird", meint Günter Schneider, dritter noch verbliebener Kläger beim OLG. Doch gibt er zu: "Wir kämpfen auf dem Zahnfleisch."

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