Die unglaubliche Odyssee einer kleinen Pistole

Einer Räuberpistole gleicht die Geschichte um eine kleine Pistole, die einst Richard Hermann Ochs seiner Ehefrau Hilde zu ihrem Schutz geschenkt hat. Ihr Sohn Richard Ochs sorgte damit beim Erzählcafé des Seniorenbeirats für Erstaunen, und der TV gibt sie heute noch einmal wieder.

 Richard Ochs und die Pistole, die sein Vater einst der Mutter schenkte und die den Sohn in den letzten Kriegstagen schützen sollte. Jahrzehntelang lag sie unter einer Fichtenwurzel in Niederbayern und wurde von einem Jagdpächer gefunden, als der Baum gefällt wurde. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Richard Ochs und die Pistole, die sein Vater einst der Mutter schenkte und die den Sohn in den letzten Kriegstagen schützen sollte. Jahrzehntelang lag sie unter einer Fichtenwurzel in Niederbayern und wurde von einem Jagdpächer gefunden, als der Baum gefällt wurde. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Traben-Trarbach. Ein Jahr lang hatten Richard Ochs und weitere Schulkameraden während des Zweiten Weltkriegs ihren Luftwaffenhelferdienst in Lothringen versehen müssen. Im Januar 1945 kam der 16-Jährige wieder nach Hause. "An der Westfront grummelte es, und vom Gymnasium erging die Aufforderung zur Kinderlandverschickung", erzählt der vitale Senior. Die besorgten Eltern gaben ihm die mit einem kleineren Kaliber ausgestattete Damenpistole mit auf die Reise nach Kelheim an der Donau. "Sie kam mit Munition in mein Gepäck, und ich war bewaffnet", erzählt Ochs schmunzelnd.

Eines Nachts im April stürmte die Feldgendarmerie in die Herberge, und an die Schüler erging ein sofortiger Einberufungsbefehl. Mit seinen Kameraden Hermann Josef Schuh und dem inzwischen verstorbenen Friedhelm Schumacher machte sich Ochs auf den Weg zur 20 Kilometer entfernten Meldestelle. "Wir überlegten, ob wir wirklich unseren Kopf für diesen Krieg hinhalten sollten", sagt er, und so beschlossen die drei, sich nicht zu melden. Sie fanden Unterschlupf bei einem Bauern und schliefen im Stroh. "Am nächsten Tag ging das Gerücht durchs Dorf, dass die SS komme", erinnert sich Ochs. Die Bewohner zogen dar aufhin, begleitet von den drei Moselanern, in den nahen Wald. Als die Amerikaner vorrückten, boten sich die des Englischen mächtigen Schüler an, ihnen mit dem Ortsbürgermeister und einer weißen Flagge entgegenzugehen. Doch zuvor musste Ochs seine Waffe loswerden. "Ich legte sie in einem Beutel unter eine große Fichtenwurzel."

Anfang der 90er Jahre hielt sich ein ZDF-Team in Traben-Trarbach auf und lernte Richard Ochs kennen. Er erzählte von seinen Erlebnissen aus den letzten Kriegstagen, die typisch für das Schicksal vieler junger Menschen waren, und die Fernsehmacher beschlossen: "Dar aus machen wir was." Ochs reiste mit ihnen noch einmal nach Niederbayern, wo die Szenen mit Laienschauspielern für einen Beitrag im "Länderjournal" nachgedreht wurden.

Als alle Akteure und auch Bewohner des Dorfes später im Lokal zusammensaßen, erzählte der Moselaner seinem Tischbarn die Geschichte von der Pistole. Das hörte ein Jagdpächter, und Ochs staunte nicht schlecht, dass der Mann die Waffe beim Fällen der Fichte gefunden und sie sogar wieder in Schuss gebracht hatte.

Es dauerte eine Weile und bedurfte vieler Briefe und einiger Weinpräsente, bis der Bayer dem Moselaner die Damenpistole zurückgab. Da Ochs keinen Waffenschein dafür beantragen wollte, ließ er sie kurzerhand in Plexiglas gießen. So ist sie optisch unversehrt, aber nicht mehr schussbereit.

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