Drei Welten sind zwei zu viel

BERNKASTEL-KUES. Die ersten Schritte hin zur Service- und Qualitätsstadt sind gemacht. Doch die Hauptarbeit folgt jetzt. Dabei ist die Eigeninitiative der Leistungsträger gefragt.

Montagabend kurz nach 19 Uhr: Stadtbürgermeister Wolfgang Port gesteht einen Irrtum ein. "Ich habe mich verrechnet", sagt er. 120 Stühle hatten eine halbe Stunde vorher im Barocksaal von Kloster Machern gestanden. Doch sie reichen nicht aus. Mehr als 150 Interessenten wollen bei der Auftaktveranstaltung "Service-Stadt Bernkastel-Kues" dabei sein. Selbst Landrätin Beate Läsch-Weber ist der Einladung gefolgt. Also werden zusätzliche Stühle herangekarrt. "Die Resonanz zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind", zeigt sich Port erfreut. An diesem Abend wird nach dem richtigen Weg gesucht. Referenten der Industrie- und Handelskammer, der Creuznacher Betriebsberatung Gastgewerbe, der Entwicklungsagentur Bernkastel-Kues und des Mosel-Gäste-Zentrums helfen unter der Leitung von Professor Heiner Monheim (Universität Trier) bei der Suche. Der Geograph und Raumentwickler macht Hoffnung. "Mittelzentren stehen im Vergleich zu Oberzentren ziemlich gut da", sagt er. Die demografische Entwicklung und die ökonomischen Zwänge werden ihre Lage aber verschlechtern, glaubt er: "Der ländliche Raum wird manches verlieren." Also doch eine düstere Zukunft? Nicht unbedingt. "Die Größe muss durch Qualität ersetzt werden", sagt Monheim. Und da ist er beim Thema, denn Bernkastel-Kues macht sich auf, um Service-Stadt und Qualitäts-Stadt zu werden (der TV berichtete mehrfach). "Es geht um kleine pfiffige Ideen", sagt der Fachmann. Aber auch um ganz pragmatische Kleinigkeiten von großer Bedeutung: möglichst einheitliche, zumindest aber abgestimmte Öffnungzeiten zum Beispiel. Bernkastel-Kues sei ein Magnet für Tagestouristen, sagt Monheim. Doch die Stadt brauche auch Gäste, die ein paar Tage verweilen. Dazu benötige sie auch ein einheitliches Erscheinungsbild und keine "drei völlig verschiedenen Welten". Welt eins sei die "Puppenstube Altstadt", Welt zwei die wenig liebevoll gestalteten Ortseingänge, die mehr durch Hinweise auf Industriegebiete statt auf touristische Sehenswürdigkeiten auffallen. Als Welt drei sieht er das Plateau mit seinen fünf Reha-Kliniken. "Der Stadtrat muss was in Gang setzen", fordert Monheim. "Und dafür gibt es auch Gelder. Die Landesregierung ist froh über Initiativen von unten." Allerdings sollten Programme ohne "Scheuklappen" vorgelegt werden. Dazu könne auch eine Art Ferienpark mitten in der Innenstadt gehören. In Skandinavien gebe es solche Häuser für die ganze Familie allerorten. Bernkastel-Kues sei geradezu für ein Stadtbus-System geschaffen. Wegen der demografischen Entwicklung (immer mehr ältere Menschen) sei auch eine bessere Anbindung an den Wittlicher Hauptbahnhof geboten. Alle Referenten fordern eine Änderung der Bauleitplanung. Es müsse verhindert werden, dass sich Geschäfte auf der "Grünen Wiese" ansiedeln. Unerlässlich ist auch, dass die Dienstleister möglichst von allen Gästen erfahren, die unzufrieden sind. "Diese Quote liegt bisher nur bei vier Prozent", erläutert Ewald Schäfer (Creuznacher Betriebsberatung Gastgewerbe). Ein unzufriedener Gast oder Kunde sei seiner Umwelt gegenüber viel mitteilsamer als ein zufriedener. Trotzdem gilt laut den Experten die Regel: Mit Freundlichkeit und hervorragendem Service können sogar kleine fachliche Mängel ausgeglichen werden. Und was sagen die Zuhörer? An diesem Abend nicht sehr viel: Mehr Kunst solle in der Stadt Einzug halten. Der Internetauftritt sei ein wichtiges Moment der ersten Kontaktaufnahme. Die Bedeutung des Weinbaus müsse auch in den Schaufenstern zur Geltung kommen. Christiane Schenk hat fleißig mitgeschrieben. "Es ist Zeit für ein solches Projekt", sagt die studierte Marketing-Frau. Reden allein nutzt aber nichts. Es geht an diesem Abend darum, mindestens 80 Leute aus allen Sparten zu motivieren, sich im April zum "Qualitäts-Coach" schulen zu lassen. Viele Leute nehmen sich Anmeldeformulare mit. Der Rücklauf setzt bereits am Dienstag ein. Martina Wolff (Entwicklungsagentur) zählt am Nachmittag bereits fast 40 Anmeldungen.

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