Druck und Schweiß sind Saitengift

Im Fachgebiet "Arbeitswelt" sicherten sich die Geschwister Mirjam (13) und Benjamin (16) Lenz aus Enkirch unter 34 Teilnehmern den fünften Platz beim 42. Bundeswettbewerb "Jugend forscht". Spät in der Nacht waren sie nach der Preisvergabe aus Hamburg an die Mosel zurückgekehrt, und am anderen Morgen durften sie sich über viele Glückwünsche im Trarbacher Gymnasium freuen.

 Benjamin und Mirjam Lenz aus Enkirch gingen mit physikalischen und chemischen Untersuchungen der Abnutzung von Geigen-Saiten auf den Grund. Beim Bundeswettbewerb „Jugend forscht“ wurden sie dafür in Hamburg mit einem hervorragenden fünften Preis ausgezeichnet. Am 19. September wird Bundeskanzlerin Angela Merkel die Preisträger in Berlin empfangen. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Benjamin und Mirjam Lenz aus Enkirch gingen mit physikalischen und chemischen Untersuchungen der Abnutzung von Geigen-Saiten auf den Grund. Beim Bundeswettbewerb „Jugend forscht“ wurden sie dafür in Hamburg mit einem hervorragenden fünften Preis ausgezeichnet. Am 19. September wird Bundeskanzlerin Angela Merkel die Preisträger in Berlin empfangen. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Traben-Trarbach. Die beiden Gymnasiasten spielen Geige, und sie hatten festgestellt, dass sich ihre Saiten schneller abnutzten als bei anderen Violinisten. Dieser Sache wollten sie auf den Grund gehen, und das war eine schweißtreibende Arbeit. Die gewieften Schüler sind jedoch erfahrene Forscher, neunmal schon nahm Benjamin am Wettbewerb "Schüler experimentieren" teil, sechsmal seine Schwester. Beim Bundeswettbewerb "Jugend forscht" war er bereits zweimal dabei, für Mirjam war es die Premiere.Die wohlklingenden Violinsaiten haben es in sich: In früheren Zeiten wurden sie aus Katzendarm gefertigt, jetzt sorgen Metall oder Synthetik mit Edelstahllegierungen für den guten Ton. Doch das scheinbar robuste Material ist gar nicht so "Streicher-resistent". Bei zwei Geigenbauern fragten sie nach, was es mit ihrem Saitenverschleiß auf sich haben könnte. Sie als Rothaarige hätten einen sehr aggressiven salzigen Schweiß, sagten die Fachleute, überdies sei der Greifdruck auf die Saite entscheidend für ihre Lebensdauer."Jetzt ist die Industrie gefordert"

Die Schüler begaben sich an die Arbeit und unterteilten sie in einen physikalischen Teil, der sich mit dem Druck auf die Saiten befasste, und einen chemischen Teil, der die Auswirkungen des Schweißes untersuchte. Sie fertigten eine Versuchsgeige an, in deren Griffbrett ein Sensor eingebaut wurde. Ein künstlicher Finger bespielte die Geige 24 Stunden lang. "Das entspricht einem Monat Übungszeit", erläutert Mirjam. Das Raster-Elektronenmikroskop offenbarte dann erste Veränderungen, es hatten sich Abflachungen und Risse gebildet. Die ideale Angriffsfläche für den Schweiß. Von ihren Mitspielern im Kreismusikschulorchester Bernkastel-Wittlich nahmen die Lenz-Geschwister Schweißproben, die sie aufbereiteten und unter anderem mit einem Atomabsorptionsspektrometer untersuchten. "Von Mensch zu Mensch ist die Kochsalzmenge im Schweiß verschieden", sagt Benjamin, "und es gibt auch tageszeitliche Schwankungen". Ihre Salzwerte waren tatsächlich höher als die der anderen Streicher. "Ob das an den roten Haaren liegt, konnten wir aber nicht klären", sagen die Geschwister lachend.60 Saitenstücke wurden ebenfalls einem Dauerversuch ausgesetzt, eingelegt, getrocknet und wieder genau untersucht. Je mehr Salz in die Saite wandert, desto mehr korrodiert sie. Bei ihren Forschungen rund um die Saiten stand den beiden Schülern Uwe Ohrem, Oberstudienrat für Mathematik, Physik und Informatik, mit Rat und Tat zur Seite. Im Deutschen Museum in München, an der Ruhr-Universität Bochum und am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz konnten sie die Raster-Elektronenmikroskope und weitere Geräte nutzen. Die Ergebnisse der Preisträger lassen sich auch auf die Saiten anderer Streichinstrumente übertragen, und die Schüler haben sie bereits an zwei Geigenbauer in Deutschland und Österreich weitergegeben. "Jetzt ist die Industrie gefordert", sagt Benjamin Lenz. "Sie muss ein stabiles Metall finden, das gegen die chemische Komponente resistent ist." Keine leichte Aufgabe, denn das Klangbild darf nicht leiden. Vielleicht werden es Violin-Virtuosen und Gelegenheits-Geiger den wissenschaftlichen Erkenntnissen der beiden begabten Geschwister eines Tages zu verdanken haben, dass sie nicht mehr so oft neue Saiten aufziehen müssen.Saitenschutz Geigensaiten sind teuer, aber ihre Lebensdauer lässt sich verlängern. Mirjam und Benjamin Lenz entdeckten unter dem Raster-Elektronenmikroskop, dass Kolophonium sich schützend um die Saiten legt. Mit diesem Harz aus den Rückständen der Terpentingewinnung werden die etwa 200 Pferdehaare, mit denen der Geigen-Bogen bespannt ist, eingerieben. Das Kolophonium verbessert seine Reibungsfähigkeit. Reibt man sich damit allerdings die Finger ein oder zieht gar Handschuhe an, trägt das kaum zur längeren Lebensdauer einer Saite ein. Eher schwindet das Fingerspitzengefühl, und Dissonanzen und Disharmonien sind die Folge. Die Geschwister empfehlen den Streichern, die Saiten nach dem Spiel mit einem Tuch abzuwischen. So kann der aggressive Schweiß nicht länger einwirken. (GKB)

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