Baustelle Hochmoselübergang: Ein Hang wie kein anderer

Ürzig · Der Hang, auf dem die umstrittene Moselbrücke entsteht, hält zahlreiche Überraschungen bereit. Bei Ürzig (Kreis Bernkastel-Wittlich) liegt nämlich der einzige Moselberg, der von einem tektonischen Grabenbruch und einer vulkanischen Glutwolke geprägt wurde.

 Hoch über dem Moseltal, wo in der Ferne die ersten vier Pfeiler der Megabrücke zu sehen sind, bedient ein Mann eine Bohrmaschine. Sie drillt ein 80 Meter tiefes Loch, das neue Erkenntnisse über mögliche Baurisiken bringen soll. TV-Foto: Katharina Hammermann

Hoch über dem Moseltal, wo in der Ferne die ersten vier Pfeiler der Megabrücke zu sehen sind, bedient ein Mann eine Bohrmaschine. Sie drillt ein 80 Meter tiefes Loch, das neue Erkenntnisse über mögliche Baurisiken bringen soll. TV-Foto: Katharina Hammermann

Ürzig. Die einen sagen, der Berg rutscht und eignet sich wegen des hohen Risikos keineswegs als Baugrund der größten Brückenbaustelle Europas. Die anderen sagen, der Untergrund sei zwar anspruchsvoll, ingenieurtechnisch jedoch problemlos beherrschbar. Der Ürziger Hang scheidet die Geister.
Seitdem bekannt ist, dass das Landesamt für Geologie und Bergbau daran zweifelt, dass der Moselberg die Last des 375 Millionen Euro teuren Hochmoselübergangs tragen kann, interessieren sich auch Laien plötzlich für geologische Fachfragen.
Für diejenigen, die der Sache auf den Grund gehen, hält der Ürziger Hang eine Überraschung bereit: Denn er ist mit keinem anderen Moselhang zu vergleichen. Dort - und nur dort - stoßen Moseltal und der tektonische Graben namens Wittlicher Senke unmittelbar aufeinander. Ist das Moseltal an allen anderen Hängen überwiegend von devonischem Schiefer geprägt, so finden sich am Ürziger Hang auf engstem Raum eine Vielzahl ganz verschiedener Gesteine, die sehr unterschiedliche Eigenschaften haben - insbesondere darauf, wie sie Wasser speichern.
Passionierte Moselwanderer wissen das wahrscheinlich längst. Führt doch ein Themenweg zum Ürziger Geologiegarten, der mithilfe zahlreicher Tafeln und Gesteinsproben auf halber Höhe des Berges über "interessante Gesteinsvorkommen, die in dieser Zusammensetzung wohl einmalig auf der Welt sind", informiert:
Hunsrückschiefer: Vor 400 Millionen Jahren (Devon) lag dort, wo sich heute Eifel, Mosel und Hunsrück befinden, ein flaches Meer, in dem sich im Laufe der Jahrmillionen riesige Mengen feinster Partikel ablagerten. Als die Kontinente Gondwana und Laurussia vor 325 Millionen Jahren kollidierten, wurde die mehrere Kilometer mächtige Sedimentschicht zu einem imposanten Gebirge aufgeschoben und gefaltet. Unter dem enormen Druck verwandelten sich die weichen Sedimente in den typischen Moselschiefer. Allerdings ist der am Ürziger Hang von vielen Rutschungen arg in Mitleidenschaft gezogen. Dem rheinland-pfälzischen Chefgeologen Harald Ehses zufolge beginnt das feste Schiefergestein erst in einer Tiefe von etwa 70 Metern.
Darüber befindet sich ein sehr inhomogenes Materialpaket. Zum Großteil besteht es aus Schiefer, der über die Jahrtausende hinweg fein geraspelt wurde. In dieser Masse schwimmen haushohe Schieferblöcke, die irgendwann von der Felswand abgebrochen waren. Eine Verbindung zum festen Untergrund besitzen diese Blöcke nicht.

Ein Graben entsteht: Im Perm (250 bis 298 Millionen Jahre vor heute) bildete sich die Wittlicher Senke - ein etwa 45 Kilometer langer und sieben Kilometer breiter tektonischer Graben, der sich von Schweich bis hinter Wittlich erstreckt. Ähnlich wie der Oberrheingraben sank das Gebiet entlang von Störungszonen um mehrere Hundert Meter in die Tiefe und wurde peu à peu mit Gesteinsschutt aus dem umliegenden Gebirge verfüllt. Eine dieser tektonischen Störungszonen verläuft direkt über den Ürziger Hang - was ihn an der Mosel zu einer geologischen Ausnahmeerscheinung macht und ihm weitere interessante Gesteine aus der Zeit des Rotliegenden beschert.
Vulkanausbruch: Ein rotes Lockergestein namens Rhyolith-Ignimbrit entstand vor etwa 290 Millionen Jahren während eines gewaltigen Vulkanausbruchs. Es zeugt von einer 800 Grad heißen Glutwolke, die sich von der Vulkaneifel mit 400 Kilometern pro Stunde ausbreitete und die Landschaft unter einer dicken Schicht aus vulkanischer Asche und Gestein begrub.
Ürziger Wüste: Als das Konglomerat des Rotliegenden - ein Gemisch aus groben Geröllen und lehmigem Sand - entstand, lag Ürzig in einer wüstenartigen Landschaft. Bei Starkregen wurde Gesteinsschutt aus den Eifelhöhen über Wadis (wasserlose Flusstäler) Richtung Wittlicher Senke geschwemmt.
Komplexes Gesamtbild: Wie komplex die Geologie des Ürziger Hangs ist, zeigt sich auch an der Tunnelausfahrt. Wo Autos künftig in einer luftigen Höhe von 160 Metern die Eifel hinter sich lassen, liegt die Grenze zwischen dem bröseligen Schiefer und dem nicht minder bröseligen Vulkangestein. Die parallel zur Trasse verlaufende Böschung wurde mit Spritzbeton stabilisiert.
Auf einer geologischen Karte der Wittlicher Senke ist zu erkennen, dass die B 50 nur wenige Meter weiter nordwestlich jene Störung kreuzt, an der der Graben um mehrere Hundert Meter abgesenkt wurde.Extra

 Am Ürziger Berg findet sich erstaunlicherweise vulkanisches Lockergestein. Eine Glutwolke brachte es dorthin. TV-Foto: Klaus Kimmling

Am Ürziger Berg findet sich erstaunlicherweise vulkanisches Lockergestein. Eine Glutwolke brachte es dorthin. TV-Foto: Klaus Kimmling

Elisabeth von den Hoff, Geografin aus Wittlich, hat 1954 ihre Doktorarbeit über die Terrassenlandschaft der Mittelmosel geschrieben. 1978 hat sie zum ersten Mal Einspruch gegen die geplante Trasse des Hochmoselübergangs eingelegt, weil aus ihrer Sicht "die Geologie nicht beachtet wurde". "Der Ürziger Hang ist die einzige Stelle im rheinischen Schiefergebirge, wo man eine Brücke nicht bauen sollte", sagt sie. Nicht nur, weil er rutscht, sondern auch, weil durch diesen Hang eine tektonische Störungszone verläuft. Nur an diesem Hang reichten die bei der Grabenbildung tiefgründig instabil gewordenen Schichten der Wittlicher Senke bis ins Moseltal herunter. Die tektonische Besonderheit des Hangs sei im Vorfeld der Baumaßnahme nicht genügend untersucht worden, findet die Geografin. Die Planer sehen in den Besonderheiten des Hangs kein Problem. kah

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