Ein Haus voller Erinnerungen

IRMENACH-BEUREN. Dreschmaschine, Leichenwagen, Kackstuhl, Schusterwerkstatt und das Pfarrarchiv: Alles alt, alles in Betrieb gewesen, alles von Menschen gebracht, die gerne beim Aufbau eines Museums helfen. Die "Heimatstuben" in Irmenach-Beuren nehmen Gestalt an.

 Diese alte Uhr zieht Hans Schneiß immer zuerst einmal auf, wenn er in die Heimatstuben tritt.Foto: Petra Geisbüsch

Diese alte Uhr zieht Hans Schneiß immer zuerst einmal auf, wenn er in die Heimatstuben tritt.Foto: Petra Geisbüsch

Dort, wo die Kinder sich unterstellten, um auf ihren Schulbus zu warten, hat sich vieles getan in den letzten Jahren. Ein abbruchreifes Haus hatte die Gemeinde vor rund zehn Jahren erstanden, unter dessen Vorbau auf dem ehemaligen "Misteplatz" die Busfahrgäste Unterschlupf vor Wind und Wetter fanden. Längst ist von außen sichtbar, dass dort ein echtes Kleinod entsteht."Zunächst machten wir uns an die Außenarbeiten", erinnert sich Bürgermeister Karl-Heinz Tatsch. Das sorgfältige Wirtschaften mit den Erlösen des Waldes machte es möglich, dass die in Auftrag gegeben werden konnten. Etwa 80 000 Mark kostete der prachtvolle Schieferbeschlag und die Fenster. Tatsch augenzwinkernd: "Wir haben halt keine Schwimmbäder gebaut." Alles, was danach im Innern des Hauses passierte, geschah in Eigenarbeit.Ein Spritzenwagen Anno 1834

Es waren die Männer, die immer helfen, wenn die Gemeinde Leute braucht. Einzelne Namen möchte Tatsch gar nicht nennen, die Liste würde einige Zeitungszeilen füllen, und am Ende hätte er gar noch einen vergessen, befürchtet er.Die Fenster wurden beigeputzt, die Wände auf althergebrachte Weise verputzt, das malerische Fachwerk teilweise neu verfüllt und freigelegt. Das Treppenhaus wurde erst weiß gekalkt, dann zeitaufwendig in einer alten Technik mit brauner Farbe mehr gewischt als gestrichen. Im früheren Scheunenbereich zogen "die fleißigen Handwerker" Irmenachs und Beurens Zwischendecken ein, bauten Treppen und schafften nach und nach das teilweise recht schwere Gerät nach oben, das sich im Lauf der Zeit schon angesammelt hatte: ein prächtiger Leichenwagen, ein Spritzenwagen von 1834, eine komplette Schusterwerkstatt, in der nur noch die Leisten fehlen. Ein Zimmer ist dem Schaffen des Irmenacher Malers Friedrich Karl Ströher gewidmet, der im Ort begraben ist. Er hieß zu Hause meistens nur "der Hungerlieder" und ist, wie so oft in der Kunst, erst nach seinem Tode zu Ehren gekommen. Auch das Pfarrarchiv ist inzwischen unter dem Dach der "Heimatstuben" untergebracht. Zusätzlich zu dem, was ganz normale Bürger an historischem Hausrat vorbeibringen, wie zum Beispiel den altertümlichen "Kackstuhl", kommen der Gemeinde die Beziehungen zugute, die Hans Schneiß während all' der Jahre aufgebaut hat, in denen er sein umfangreiches Hobby, die Archivarbeit, schon betreibt.Geräte für die Flachsverarbeitung

Viel Zeit verbringt der ehemalige RWE-Mann beim Sortieren alter Amtsblätter, Chroniken und Zeitungen. Da kommt es vor, dass Dr. Klaus Freckmann vom Freilichtmuseum Sobernheim anruft und kostenfrei eine Hobelmaschine und eine Bandsäge vermittelt - nur abgeholt und hochgehievt werden muss sie halt. Ehrensache für die engagierten Irmenacher!Mit den Gerätschaften zur Bearbeitung des früher wichtigen Wirtschaftsfaktors Flachs hat der Bürgermeister selbst teilweise noch gearbeitet. "Und wie viele junge Leute können heute diese Geräte nicht einmal mehr beim Namen nennen", staunt Tatsch. Denn immerhin hat Irmenach noch etliche Vollerwerbs-Landwirte, und selbst die kennen die Sachen manchmal nicht mehr, ist seine Erfahrung. Grund genug also, das Projekt Heimatmuseum weiter voranzutreiben, auch wenn Tatsch und Kollegen dieser Name nicht so recht schmecken will. Das ist ihnen schon wieder viel zu dick aufgetragen. In zwei, drei Jahren soll Eröffnung gefeiert werden, wobei keiner wirkliche Eile verspürt. Tatsch: "Uns pressiert es nicht."

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