Ein Keller voller Schellack-Schätzchen

Knisternde Momente kann es bei einer Begegnung mit Dieter Wolff aus Traben-Trarbach geben — nämlich dann, wenn er dem Gast aus seiner Sammlung von Schellack-Schätzchen eine betagte Platte auflegt. Es kratzt und knistert, dass es fast schon eine Lust ist, aber Zarah Leander singt ganz richtig: "Davon geht die Welt nicht unter."

 Dieter Wolff verfügt über eine stattliche Sammlung von mehr als 500 Schellack-Schallplatten und 450 Singles. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Dieter Wolff verfügt über eine stattliche Sammlung von mehr als 500 Schellack-Schallplatten und 450 Singles. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Traben-Trarbach. (GKB) Mehr als 500 Schellack-Schallplatten und 450 Singles bewahrt der musikbegeisterte Steuerberater Dieter Wolff in einem Kellerraum auf. Elektrostatische Aufladung gibt es bei den alten Platten nicht, es reicht der gelegentliche Einsatz eines Pinselaufsatzes am Staubsauger, um Zarah Leander, Willy Berking und vielen anderen Interpreten die Flusen auszutreiben. Seit acht Jahren sammelt Wolff alte Schallplatten, "und das wird auf jeden Fall fortgesetzt", sagt er entschlossen. Auf Flohmärkten und im Internet ist er fündig geworden, und dort sucht er auch weiter. Für guterhaltene Platten sind da durchaus schon einmal 180 bis 200 Euro hinzublättern. Seine älteste Platte kam Ende der 20er-Jahre auf den Markt, die Single-Sammlung beginnt ab den 50ern und reicht bis in die 70er-Jahre. Nicht die Menge ist ihm wichtig, sondern die Musik als solche. Die Schellack-Schätze haben fast alle Nebengeräusche; Stahlnadeln, die sie einst zum Klingen brachten, haben die Rillen gereizt, aber das stört den passionierten Musikliebhaber überhaupt nicht.Früher durften Schlager nicht länger als drei Minuten sein

Als kleiner Junge saß Wolff regelmäßig mit dem Opa vor dessen Dampfradio. "Musik, die unsere Hörer wünschen", hieß seinerzeit eine Südwestfunk-Sendung, "und irgendwann kam die Leidenschaft", erinnert sich der 66-Jährige. "Ich höre alles gerne", sagt er und ergänzt: "Musik ist Therapie". Das erlebt er oft nach einem anstrengenden Arbeitstag. "Wenn ich mich dann 30 Minuten zum Schallplattenhören zurückziehe, bin ich hinterher wieder topfit".Topfit halten die Platten auch seine grauen Zellen, denn der Musikfreund hat alle der über 1000 Titel seiner Schellack-Platten im Kopf, "bei den Singles ist es ein bisschen schwierig." Excel-Tabellen, die er nach Interpreten, Titeln und jeweils nach A- und B-Seite sortiert hat, ermöglichen ihm, mit einem Griff in den ebenfalls ersteigerten Plattenständern die gewünschte Musik zu finden. "Wenn ich beruflich nicht mehr so eingespannt bin, will ich alles auf CD archivieren", sagt er, "denn fällt mir eine Platte runter, ist sie weg.Viel Fingerspitzengefühl ist also erforderlich, wenn Wolff bei privaten Feiern oder wie beim Sommernachtsschwof in der ehemaligen Kellerei Kayser seine Platten vorstellt. Die alten Klänge und ihre Interpreten lassen ihn ins Schwärmen geraten: "Das waren alles Vollblutmusiker mit handgemachter Musik ohne Elektronik." Ohne Elektronik kommt auch der Plattenspieler aus den 60er-Jahren aus, der ebenfalls ersteigert wurde, und für den Wolff ein richtiges Ersatzteilager besitzt. Auf den heutigen Geräten blieben seine Schellack-Schätze nämlich stumm. So rasen sie mit 78 Umdrehungen in der Minute über den Plattenteller, um pünktlich nach 180 Sekunden zu schweigen. "Früher durfte ein Schlager nicht länger als drei Minuten sein, mehr ging einfach nicht auf eine Platte", erklärt Wolff lachend. Stolz zeigt er seine jüngste Errungenschaft. Der "Tipperary Song", den die Mannschaft im Film "Das Boot" sang, hatte es ihm angetan. Nun konnte er aus den 40er-Jahren eine Platte ergattern, in dem das sowjetische Armee-Ensemble dieses Lied in englischer Sprache vorträgt. Trotz der kurzen Spieldauer einer Schellack-Platte wird es dem Musikliebhaber nicht langweilig. Seine Sammlung ist umfangreich und wächst überdies stetig weiter, und so kann er sich auch in Zukunft auf knisternde Momente mit einem geheimnisvollen Rauschen freuen.

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