Ein Koffer voller Überraschungen

WITTLICH. Leselust und Lesekompetenz fördern: Als eine von 40 Schulen bekam die Grundschule Friedrichstraße einen hochwertigen Medienkoffer zur Verfügung gestellt. Die Schüler machen damit eigenständig Hörspiele, Videoclips und Fotogeschichten.

Das traditionelle Lesen hat sich im Medienzeitalter verändert: Die Kinder, die stundenlang in "Hanni und Nanni" oder "Burg Schreckenstein" schmökern, sind die Minderheit. "Mit reinen Appellen kriegen wir heute keinen mehr zum Lesen", beschreibt Wolfgang Benz, Rektor der Grundschule Friedrichstraße, die Situation. Darum lässt sich sein Kollegenteam seit Jahren allerlei einfallen, um die Kinder zu bewegen, mit Worten und Texten zu arbeiten. Leseförderung ist als Schwerpunkt im Qualitätsprogramm der Schule aufgelistet. Die Projekttage "Lesen verleiht Flügel" waren so eine Aktion, die bewies, in welch vielfältiger Weise an das Lesen herangegangen werden kann: Auf der Leseliste standen "Das Sams" und "Pippi Langstrumpf", aber auch Backrezepte und ein Theaterstück, für das jeder seinen Text lernen musste. Das Landesmedienzentrum (LMZ) suchte aus allen Bewerbungen 40 Ganztagsschulen aus, die für zunächst ein Jahr einen reichhaltig bestückten Medienkoffer zur Verfügung gestellt bekamen. Doris Ahnen, die rheinland-pfälzische Ministerin für Bildung, Frauen und Jugend, überreichte die kostbaren Stücke persönlich. Mikrofone und Diktaphone, eine Video- und eine Fotokamera, Kopfhörer, Video-Schnitttechnik sowie ein mobiler Computer samt hochmodernen Bearbeitungsprogrammen warten nun auf medieninteressierte Mädchen und Jungen. Die beiden Lehrerinnen Anja Hahn und Andrea Kupp haben gemeinsam die Aufgabe übernommen, sich mit der Technik des Koffers vertraut zu machen, um später dem Kollegium die Einsatzmöglichkeiten vorzustellen. Denn nur die Schulen, die nach einem Jahr belegen können, dass sie das Material sinnvoll einsetzen, dürfen den Medienkoffer ein weiteres Jahr behalten. Derzeit läuft im Religionsunterricht von Anja Hahn der erste Einsatz der neuen Technik: Zum Auszug aus Ägypten erstellen die Viertklässler eine Nachrichtensendung mit Schlagzeilen, Wetter und Werbung. Ein Lied singen sie auch: Die deutsche Version des "Go down Moses". Das Ausgangsmaterial sind gedruckte, gesprochene und selbstverfasste Texte. Heraus kommt eine Arbeit, die die Kinder ernst nehmen. Hahn: "Ein Videoclip ist gnadenlos." Jeder Fehler, ob sachlicher, optischer oder akustischer Natur, ist im Film festgehalten. Folglich geben sich die Schüler alle Mühe. Wer die Medienkompetenz fördere, fördere auch die Lust am Lesen, sagen Benz und Hahn. Man müsse von der Vorstellung abrücken, gutes Vorlesen sei gleichbedeutend mit dem Begreifen des Gelesenen. Entscheidend sei, ob ein Text vom Leser aufgenommen wird, und darüber entscheide nicht das melodiöse Vorlesen.

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