Eine Wald-Sekunde als handgroßer Würfel

WITTLICH. (sos) Inventur, Planung und Kontrolle der Waldentwicklung umfassen die Daten des Forsteinrichtungswerks, das zehn Jahre gelten soll und jetzt dem Stadtrat vorgestellt wurde.

"Also das kriegen meine Enkel", sagte eine Stadträtin entzückt. Denn neben den üblichen Papierstapeln fand ein jeder Rat auf seinem Platz ein Holzbäumchen nebst einem Würfel vor. Kreative nutzten das zum Dekorieren: Bäumchen vors Klötzchen oder lieber drauf? Ja ist denn in Wittlich schon im April Weihnachten? Nein, mit dem "Holzspielzeug" machte Stadtförster Joachim Rodenkirch seinen Zuhörer die trockenen Zahlen aus dem Wald begreifbar: "Der Würfel ist kein Wurfgeschoss. Seine Größe entspricht dem Sekunden-Zuwachs an Holz im Wittlicher Wald." Damit ist der 32-köpfige Stadtrat jetzt im Besitz von gut einer halben Minute Waldwachstum. "Die frische Luft kann man nicht bewerten"

Und das "Weihnachtsbäumchen" aus Douglasie auf Fichtenfuß vereint die Hauptnadelbaumarten des Stadtwaldes. Das versteht jedes Kind, und so war denn auch der Stadtrat auf die Daten des Forsteinrichtungswerks (FEW) "eingespielt". "Das FEW ist kein Evangelium, sondern eine Grundlage für den Wirtschaftsplan in jedem Jahr", erklärte Jochim Rodenkirch. Auch biete das FEW zwar eine Basis, das Waldvermögen zu bewerten, aber es gelte wie immer im Sonderfall Wald: "Die frische Luft, die kann man nicht bewerten." Rund 28 Prozent (1177 Hektar) der Gemarkungsfläche Wittlich sind bewaldet. Zum Vergleich: Rheinland-Pfalz ist mit 42 Prozent das waldreichste Land bei einem Bundesdurchschnitt von 31 Prozent. Wenn man das Holz in erneuerbare Energien umrechne, gelte, so Joachim Rodenkirch: "340 000 Liter Heizöl haben wir im vergangenen Jahr rausgeholt", und: "Priorität hat der Kunde vor Ort." Mit einem Laubbaumanteil von 69 Prozent sei man im Land Spitzenreiter, auch wenn er im Verhältnis zu 31 Prozent Nadelbäume einräumen müsse: "Ökonomisch wäre es besser, wir hätten nur Nadelholz." Lieber wäre ihm allerdings eine andere Umkehrung der Fakten. Denn Joachim Rodenkirch sagte zur Auflistung der Baumartengruppen nach Altersklassen: "Die anfangs ansteigenden Säulen sind typisch für einen aufbauenden Betrieb. Das zeigt, in unserem Wald ist der Schwerpunkt in den jungen Altersklassen. Mir wäre es andersherum lieber." Kleines Schauspiel mit Baumscheiben

Dass Baumart nicht gleich Baumart ist und das nicht nur optisch sondern insbesondere hinsichtlich des Wachstums, erfuhren die Stadträte dann als kleines Zwischenschauspiel: Baumscheibe um Baumscheibe hob Forstwirtschaftsmeister Martin Becker im Alten Rathaus in die Höhe. Dass eine Eiche nach einem "doppelten Menschenleben" nur für Parkettböden taugt, die Douglasie dagegen weitaus schneller eine stämmige Figur entwickelt, werden die Räte nun nicht so schnell vergessen. Vielleicht auch, warum Rehe als Feinschmecker besser selbst zum Essen für Feinschmecker werden. Nämlich damit die Tiere bei der "hohen Kunst des Försters", der Eichenverjüngung, nicht für Verbissschäden sorgen und damit Bemühungen um Baumnachwuchs zunichte machen: "Da muss jedes Stück geschossen werden." Doch nicht nur den Junioren, auch die Senioren will sich Joachim Rodenkirch in Zukunft widmen: "Da geht es um eine Bestenauslese, die Elitebäume werden gefördert. Ziel ist der dicke, alte Eichenstamm." Zur im FEW dargestellten Erhöhung der Nutzung von bisher 2700 Festmeter jährlich auf 5200 sagte Joachim Rodenkirch: "15 bis 20 000 Bäume im Jahr sollen unter der Axt fallen. Im Moment ist Doktrin im Land, an die Obergrenze zu gehen. Aber das FEW ist ja kein Evangelium." Und was tat der Wittlicher Stadtrat am Ende des Vortrags? Naturgemäß kräftig auf die Holztische klopfen!

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort