Einer der schnittigsten Opas der Welt

BAUSENDORF. Am vergangenen Donnerstag wurde Erwin Ludwig 86 Jahre alt, und während andere es da schon seit mehr als zwei Jahrzehnten ruhiger angehen lassen, widmet sich der Friseurmeister seit nunmehr 71 Jahren immer noch mit Haut und Haaren seinem Beruf. Im Salon von Enkelin Nicole in Bausendorf hilft er mit, "wann immer ich gebraucht werde".

Als die Mutter seinerzeit den Sohn fragte, was er mal werden wolle, antwortete dieser: "Friseur, da werde ich nie arbeitslos, denn Haare wachsen immer." Als 14-Jähriger nahm der gebürtige Bausendorfer bei Meister Pritz in Bad Bertrich seine Lehre auf. Den Vater hat er nie kennen gelernt, er fiel im Ersten Weltkrieg acht Tage nach Erwin Ludwigs Geburt. 30 Mark Waisenrente gab es, und 30 Mark waren damals monatlich als Lehrgeld zu entrichten. Die Mutter hätte das Geld gut gebrauchen können, aber sie ermöglichte ihrem Sohn damit eine solide Ausbildung.Bataillonsfriseur mit eigener Stube

Die Arbeitsbedingungen waren hart, jeden Tag stand er als Lehrling in der Frisierstube, Urlaub gab es nicht. "Um zehn Uhr abends durften wir als Jugendliche nicht mehr auf der Straße sein, aber dass wir im Geschäft oft noch viel länger arbeiten mussten, hat keinen gestört", schmunzelt Ludwig heute. Am 17. Mai 1936 machte er die Gesellenprüfung, und danach sammelte er viele Erfahrungen bei Friseuren in Wittlich, Saarbrücken, Köln, Koblenz und Gerolstein. "Ich blieb überall ein halbes Jahr", sagt er und noch heute ist er froh darüber, dass er während seiner Gesellenzeit die Arbeitgeber so oft gewechselt hat. "In jedem Geschäft wird anders gearbeitet, und man lernt Leute kennen. Das war meine schönste Zeit." 1939 musste er zum Militär, "und mein Beruf hat mir auch dort geholfen", sagt Erwin Ludwig. Als Bataillonsfriseur baute er sich seine eigene Friseurstube auf. 1947 machte er sich in Bausendorf selbständig. "Zwei Jahre hat man mir gegeben, dann musste ich die Meisterprüfung haben", erinnert sich Ludwig. Ein Jahr lang besuchte er ab 1948 in Trier die Meisterschule einmal wöchentlich, "immer montags, wenn das Geschäft zu war". Am 8. Mai 1949 legte er vor der Trierer Handwerkskammer die Prüfung ab, und in den folgenden Jahren bildete Erwin Ludwig 26 Lehrlinge aus. Die halten ihm heute noch die Treue und besuchen ihn von Zeit zu Zeit, und eine Friseurin habe ihm gesagt, dass die Lehrzeit bei ihm ihre beste Zeit gewesen sei, berichtet er stolz. Sohn Klaus nahm 1959 beim Vater die Lehre auf, und auch Enkelin Nicole setzte die Berufstradition fort. Das erste Lehrjahr absolvierte sie beim Opa, dann ging sie nach Wittlich, und 1990 übernahm sie das Geschäft in der Kondelstraße 14. Nicole Ludwig machte 1993 die Meisterprüfung, und Opa steht ihr mit Rat und Tat immer noch treu zur Seite. "Wir harmonieren gut miteinander, einer lernt vom anderen", sagt sie, und Opa hat noch seine treue Kundschaft. Einige kommen schon seit 50 Jahren zu ihm, aber auch Jüngere lassen sich gern von ihm die Haare schneiden oder sogar einmal rasieren. "Das haben sie im Urlaub in der Türkei kennen gelernt und wollen das hier dann auch mal machen lassen", sagt Nicole Ludwig.De Kunst des Rasierens

Die hohe Kunst des Rasierens gehört heute nicht mehr zur Ausbildung, aber Opa beherrscht sie noch. "Dafür braucht man eine ruhige Hand, und meine Hände zittern noch kein bisschen", freut sich der sympathische Senior mit dem weißen Schnurrbart. Seit dem Euro werde allerdings beim Friseurbesuch gespart, hat er festgestellt, und besonders schlimm findet er die Schwarzarbeit in seiner Branche. Keinen einzigen Tag Urlaub hat er in seinem Leben gemacht, aber den hat er auch nie vermisst. Der Friseurmeister betreut liebevoll seine kranke Frau, "schmeißt den Haushalt", wie Enkelin Nicole respektvoll anmerkt, kocht das Essen und hat viel Freude an seinem Blumengarten. Wenn er noch einmal auf die Welt käme, würde er wieder Friseur werden, sagt er. Und sterben möchte er, so sein Wunsch, bei der Arbeit im Salon, "direkt hinterm Stuhl", was der Enkelin gar nicht gefällt.

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