Er kaufte noch den Gemeinde-Eber

HONTHEIM. Seit dem 4. Juli 1979 ist Walter Thullen Ortsbürgermeister von Hontheim. 25 Jahre hat er die Geschicke der Eifelgemeinde entscheidend gelenkt. Bei den Kommunalwahlen im Juni bewirbt er sich für das Ehrenamt nicht mehr. Der TV sprach mit dem 63-Jährigen.

Wenn Walter Thullen über seinen Heimatort spricht, spürt man, dass er stolz ist auf Hontheim und seine Menschen. "In Hontheim gibt es ein Wir-Gefühl, man hält zusammen, und die meisten beteiligen sich am dörflichen Leben", sagt der Mann, der wie kein anderer in den vergangenen drei Jahrzehnten alle Facetten des Dorflebens mitgestaltet hat.Dörfliche Infrastruktur ist noch intakt

Stolz ist Thullen, dass es in seiner Gemeinde noch vieles gibt, was in anderen Gemeinden verschwunden ist: Einen Lebensmittelmarkt mit Postagentur, Schreiner, Kindergarten, KFZ-Werkstatt. Damals, vor 30 Jahren, als Thullen erstmals in den Gemeinderat gewählt wurde, war vieles noch anders. Hontheim war ein typisches Bauerndorf, fast jede Familie lebte ausschließlich oder teilweise von der Landwirtschaft. Als junger Bürgermeister musste Thullen noch zwei Eber kaufen, denn die Eberhaltung lag im Zuständigkeitsbereich der Gemeinde. Heute gibt es in Hontheim und in seinen Ortsteilen Wispelt, Krinkhof und Bonsbeuren nur noch fünf landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe. Der Strukturwandel hat auch in Hontheim seine Spuren hinterlassen. Aufzuhalten war er nicht, es ging vor allem darum, die Attraktivität des Ortes für die Bewohner zu erhalten. Das ist gelungen, zieht man die Bevölkerungsentwicklung als Maßstab heran. Seit 30 Jahren liegt die Einwohnerzahl relativ stabil bei 850 bis 920 Personen. Ende der 60er Jahre trat Thullen in die Junge Union ein und gründete zusammen mit anderen Mitstreitern einen JU-Ortsverband Hontheim. "Damals war der Rat noch eine Altherren-Riege", erinnert sich Thullen schmunzelnd, "wir wollten die Welt verändern." Das ist ihnen zwar nicht ganz gelungen, aber immerhin brachten sie mehr Transparenz in die Gemeindepolitik. Und damals schon war ihm wichtig, für die jungen Leute Bauland zu schaffen. Thullen: "Mit am wichtigsten für eine Gemeinde ist es, möglichst viele junge Leute im Ort zu halten. Dazu gehört, ihnen günstiges Bauland zur Verfügung zu stellen." Ein weiteres Anliegen war ihm stets, die Ortsvereine zu stärken und ein Zusammengehörigkeits-Gefühl zu fördern. Als junger Ortsbürgermeister führte er die jährlichen Vereinsbesprechungen ein, um Termine abzusprechen und Veranstaltungen vorzubereiten. Thullen: "Unsere Gemeinde ist von einem starken Gemeinschaftsgeist geprägt. Zwischen Baby-Treff und Altenclub findet man eine große Palette bei Sport, Gymnastik, Gesang, Musik und Geselligkeit."Militärischer Orden für "den besten Kaffee"

Geprägt war Hontheim viele Jahre von der Anwesenheit von rund 160 amerikanischen Soldaten, die am Ortsrand in einer Kaserne untergebracht waren. Einige hatten auch im Ort Wohnungen oder Häuser gemietet. Man feierte zusammen Feste und alle drei Jahre, wenn ein neuer Battery-Commander eingeführt wurde, waren hochrangige Offiziere zu Gast in Thullens Haus. An eine besonders lustige Episode erinnert sich Ehefrau Hedi. Eine Abordnung der Amerikaner sowie der Ortsbürgermeister waren zum Internationalen Trachtentreffen in Kröv eingeladen. Ein junger Offizier sollte stellvertretend für seinen verhinderten Oberst einen amerikanischen Orden an den anwesenden Europaabgeordneten übergeben. Der junge Mann, offensichtlich mit der Aufgabe überfordert, überreichte vor dem sichtlich irritierten Publikum den Orden an Hedi Thullen, die "den besten Kaffee kochen könne". Die Amerikaner sind inzwischen längst abgerückt, nur noch Orden, Auszeichnungen und Geschenke in Thullens Büro erinnern an diese Zeit. Innerhalb der vergangenen 25 Jahre sind natürlich in Hontheim zahlreiche Projekte verwirklicht worden: Der Bau der Gemeindehalle, die Bürgerhäuser in Wispelt und Krinkhof, die Wasser- und Abwasserversorgung mit dem Bau der Kläranlagen, Straßenbau und Begrünung. Ein Höhepunkt in Thullens Amtszeit war 1988 die 850-Jahr-Feier des Ortes mit mehreren Tausend Besuchern. Nicht alle Wünsche Thullens sind Erfüllung gegangen. Die ehemalige US-Stellung wurde als Gewerbegebiet ausgewiesen, bislang hat sich aber erst ein Betrieb angesiedelt. Im alten Ortskern steht das ein oder andere Haus leer, vor allem junge Menschen fehlen dort. Stolz ist Thullen aber darauf, dass es im Gemeinderat fast nie rivalisierende Gruppen gab, dass fast alles in großer Einmütigkeit beschlossen wurde. Nur selten gab es wirklich unerfreuliche Begebenheiten, wie zum Beispiel bei den ersten Kanalbaumaßnahmen. Thullen musste gegen manche Widerstände kämpfen, die "teilweise unter die Gürtellinie gingen". Wenn er im Sommer sein Amt abgibt, kann Thullen ein gut bestelltes Haus hinterlassen. Die Weichen für ein neues Baugebiet sind gestellt, die örtliche Infrastruktur ist intakt. Einen Wahlspruch hat Thullen, der vor drei Jahren für seine kommunalpolitischen Verdienste mit der Freiherr-vom Stein-Plakette ausgezeichnet wurde, in den 25 Jahren stets beherzigt und den will er auch seinem Nachfolger oder Nachfolgerin weitergeben: "Niemals mit dem Kopf durch die Wand wollen, Mensch bleiben und nie das Lachen verlernen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort