Erwachsen werden auf der Insel

KRÖV. Was machen nach dem Abitur? Studieren oder eine Lehre beginnen - das ist der klassische Weg. Patricia Lange aus Kröv hat sich für ein Ökologisches Jahr entschieden. Und sie ist davon ganz begeistert.

Endlich mal von zu Hause weg, Eltern und nervige Geschwister hinter sich lassen, für sich selbst sorgen, machen und tun können was man will, ohne Kontrolle, ohne Belehrungen. Fast jeder, der die Schule verlässt, träumt davon. Doch wenn es dann so weit ist, bekommen die meisten ein mulmiges Gefühl. "Vielleicht kriege ich ja doch Heimweh, vielleicht fehlen mir ja doch die Freunde und Familie, vielleicht bin ich einsam..."Für Patricia Lange aus Kröv, die im vergangenen Jahr am Trarben-Trarbacher Gymnasium ihr Abitur machte, war schon frühzeitig klar: Nach der Schule will ich einmal etwas für mich selbst tun, will mich beweisen, will alleine etwas auf die Beine stellen."Ich bin ein anderer Mensch geworden"

Sie entschied sich für ein Ökologisches Jahr. Ihr Einsatzort ist ziemlich weit weg von der Heimat. In Wyk auf der Nordseeinsel Föhr ist sie Freizeithelferin und betreut dort vornehmlich ökologische Angebote für Urlauber. Seit August vergangenen Jahres ist sie dort, und von Weihnachten bis Anfang dieser Woche war sie erstmals wieder zu Hause. Gerne ist sie heimgekommen, aber gerne fährt sie auch wieder auf die Insel. Ein anderer Mensch sei sie in dieser Zeit geworden, erzählt Patricia. "Ich bin offener, reifer, ja einfach erwachsener geworden."Ihr Job bei der evangelischen Kirchengemeinde Wyk/Föhr macht ihr unendlich viel Spaß. Freizeithelferin Patricia Lange führt große Urlaubergruppen, zumeist sind es Kinder, durchs Watt und erzählt ihnen alles Wissenswerte über die Lebewesen und die ökologischen Zusammenhänge. Das ist eine große Herausforderung für eine 19-Jährige, die bis dato zu Hause gut behütet war. In den ersten beiden Wochen auf der Insel hat sie sich das erforderliche Wissen angeeignet, hat Fachbücher gelesen und Videos studiert.Mit Kindern gestaltet sie außerdem aus gesammelten Muscheln und Schnecken Bilder, Schachteln und Dosen, eine weitere Beschäftigung ist das Filzen. Aus ungesponnener Wolle, viel warmem Seifenwasser und ein bisschen Fantasie entstehen Filzbälle oder lange Schnüre. Oder sie macht mit Kindern Wald-Erlebnistouren.Patricia musste wie fast alle ihrer Altersgenossinnen noch nie auf eigenen Beinen stehen. "Das ist schon eine ganz neue Erfahrung", sagt sie. "Man muss auf Menschen zugehen, man lernt viele Menschen kennen. Vor allem lernt man auch sehr viel über sich selbst." Das Schönste sei aber, dass man freiwillig etwas tun könne, für das man unglaublich viel Anerkennung bekomme.Für sich zu sorgen bedeutet auch, einen kleinen Haushalt selbst zu führen. Einkaufen, kochen, waschen, bügeln und vieles mehr, was in der Regel zu Hause die Mutter erledigt. Auf der Insel hat sie eine kleine Wohnung gemietet. Die 500 Euro, die sie monatlich bekommt, reichen für Miete und Verpflegung. Langeweile hat sie nie, auch in ihrer Freizeit nicht. Schnell hat sie gleichgesinnte Freundinnen gefunden, oft sitzen sie abends zusammen, reden und lachen. Der Fernseher bleibt dann meistens aus. Patricia Lange: "Meine Zeit ist mir einfach zu schade, um abends einen dümmlichen Film anzuschauen."Wenn das ökologische Jahr vorbei ist, hat sie fürs Leben sehr viel gelernt. Im Anschluss will sie eine kaufmännische Ausbildung machen und dann Betriebswirtschaft studieren. Jetzt ist sie sich aber schon sicher: "Dieses Jahr werde ich nicht vergessen. So etwas kann ich nur jedem empfehlen."

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