"Es ist ein faules Ei"

BERNKASTEL-WITTLICH. Die steuerlich absetzbare Pendlerpauschale für die Fahrten zur Arbeit soll gekürzt werden. Der TV wollte wissen, wie die Arbeitnehmer im Landkreis über die Pläne der Regierung denken.

Finanzminister Eichel will die steuerliche Bevorzugung von Fernpendlern kürzen. Noch ist unklar, ob die Pauschalen halbiert werden oder erst ab Kilometer 21 greifen - mehrere Varianten sind in der Diskussion. Fest steht nur: Pendler, die auf ein Auto angewiesen sind, um ihre Brötchen zu verdienen, werden schlechter gestellt. So richtig aufregen wollen sich die Menschen in der Region über die Kürzung nicht. Das Für und Wider ist scheinbar Nebensache. Stattdessen ist von fehlender Weitsicht in den politischen Entscheidungsgremien die Rede. An einer Stelle werde gegeben, an der anderen wieder genommen. Elke Gerhards-Haller pendelt von Wittlich nach Bernkastel-Kues: "Ich bin nicht begeistert. Es ist ein faules Ei, weil Staatsgelder lediglich hin- und hergeschoben werden, um Löcher zu stopfen. Das ärgert mich." Dieter Port aus Osann-Monzel, IT-Spezialist in Trier, stößt ins selbe Horn: "Wenn aber unter dem Strich Netto mehr herauskommt, dann ist das in Ordnung." Das zweite Kind ist unterwegs. Seine Frau Heidi arbeitet in Luxemburg und fährt täglich 80 Kilometer zu ihrer Arbeitsstelle. "Die Kilometerpauschale ist das einzige, was ich absetzen kann. Von daher ist die Neuregelung wegen der Ehegattenprogression nachteilig." Dennoch: Doppelverdiener nehmen die Änderung gelassener auf als kinderreiche Familien aus. Diese trifft die Kürzung besonders, weil meist nur eine Person ihren Beruf ausübt, aber zwei Autos her müssen. Ewald Nober aus Minderlittgen ist Vater von drei schulpflichtigen Kindern. Er arbeitet als Schreiner in Helenenberg, eine 46-Kilometer-Fahrt quer durch die Eifel. "Im Endeffekt stehe ich schlechter da als ein Sozialhilfeempfänger, der alle Leistungen erhält. Und der Sozialhilfeempfänger benötigt kein Auto. Ich aber brauche gleich zwei, weil meine Frau im ländlichen Raum mit den Kindern ein Fahrzeug benötigt." Zu Schulbeginn müsse er Bücher im Neuwert von 750 Euro kaufen - und das ohne staatlichen Zuschuss. Der Computerfachmann Jürgen Weinig aus Talling im Hunsrück pendelt täglich 32 Kilometer nach Trier. Auch er hat drei Kinder und ist Alleinverdiener. "Ich bin nicht begeistert, aber ich kann damit leben, auch wenn es mich mindestens 500 Euro im Jahr kostet." Wäre allerdings die zunächst geplante Begünstigung der Bus- und Bahnpendler gekommen, hätte er dies als grobe Benachteiligung empfunden. "Denn als Bewohner einer strukturschwachen Region wie dem Hunsrück habe ich nicht die Möglichkeit, öffentliche Verkehrsmittel im vernünftigen Umfang zu benutzen." Bahnfahrer haben eher Verständnis

Erstaunlich: Bahnpendler, die erst seit wenigen Jahren in den Genuss der vollen Pauschale kommen, ärgern sich zwar über die Kürzung, haben aber Verständnis. Peter Bohlen und Jörg Schultzen fahren täglich mit der Bahn von Wittlich nach Trier. "Den ursprünglichen Vorschlag, die Bahnfahrer zu bevorzugen, finden wir nicht gut, weil die Menschen vom Land auf das Auto angewiesen sind. Die Bevorzugung hatten die Autofahrer vorher, jetzt sollte es umgekehrt werden. Das wäre genauso ungerecht gewesen." Für Bahnfahrer bringe die bisherige Regelung den vollen Ersatz der Fahrkosten, von daher sei es zu verkraften, wenn weniger gezahlt werde, so Jürgen Clemens aus Wittlich, der täglich mit der Bahn nach Koblenz fährt. Für Bahnfahrer, die weitere Strecken zurücklegen, falle die 20 Kilometer-Regelung sowieso kaum ins Gewicht. Aber die Möglichkeit des Bahnfahrens habe halt nicht jeder.

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