"Es ist so traurig, was mit unserer Stadt passiert"

Traben-Trarbach · Der Kampf um den Traben-Trarbacher Tourismus-Chef Matthias Holzmann hat die Stadt entzweit. Ein Eklat jagt den nächsten, der Ton ist rau, eine Besserung nicht abzusehen. Und das zu Beginn der Tourismus-Saison.

 Kurz vor zwölf: Die Tourismussaison beginnt, und Traben-Trarbach steht vor vielen ungelösten Problemen. TV-Foto: Katharina Hammermann

Kurz vor zwölf: Die Tourismussaison beginnt, und Traben-Trarbach steht vor vielen ungelösten Problemen. TV-Foto: Katharina Hammermann

Traben-Trarbach. Während die Spiegelbilder der Jugendstilvillen auf der Mosel tanzen, stehen Touristen Eis schleckend auf der Brücke und blinzeln verträumt in die Frühlingssonne. "Was ist das schön hier", werden viele sich denken.
Nicht ahnend, was sich hinter den Kulissen der Stadt abspielt: Die politische Atmosphäre ist vergiftet und so aggressiv, dass aus Angst vor Konsequenzen fast niemand mehr offen seine Meinung sagt. Ein Eklat jagt den nächsten. Die Stadt ist tief gespalten.
Auf der einen Seite stehen die Befürworter des geschassten Tourismus-Chefs Matthias Holzmann: Einflussreiche Hoteliers, Gastronomen, Winzer und Unternehmer - allen voran Jürgen Römer (CDU). Und auf der anderen Seite stehen - so sehen es zumindest Römer & Co. Stadtbürgermeisterin Heide Pönnighaus und Ulrich K. Weisgerber (CDU), Bürgermeister der Verbandsgemeinde (VG) Traben-Trarbach. Das ruhige Auge des Sturms bildet Holzmann selbst. 2010 war er mit seiner Familie aus Chile an die Mosel gekommen und weckte Traben-Trarbach binnen kurzem aus seinem Dornröschenschlaf: Mit spektakulären Aktionen wie der Unterwasserweinprobe, dem "Dinner in the Sky" oder einem unterirdischen Wein-Nachts-Markt brachte er die Stadt deutschlandweit in die Schlagzeilen.
"Wir waren alle so begeistert von diesem Wein-Nachts-Markt", sagt ein 77-jähriger Traben-Trarbacher. "Es ist so traurig, was mit unserer Stadt passiert. Es ist traurig, dass so etwas Schönes jetzt so durch den Dreck gezogen wird", sagt er, seufzt und möchte anonym bleiben. Vielen anderen Traben-Trarbachern scheint es ähnlich zu gehen. Denn der von Holzmann organisierte Markt scheint der Stadt etwas Besonderes beschert zu haben: ein Wir-Gefühl, Aufbruchstimmung, Lust auf die Zukunft. Deshalb sagen auch alle das Gleiche: Sie sind traurig über das, was passiert. Darüber, wer die Schuld daran trägt, gehen die Meinungen auseinander. Für die einen sind es die Bürgermeister. Für die anderen sind es Römer & Co. Der in all dem Chaos überraschend ruhig und sachlich agierende Holzmann hingegen scheint nach wie vor den Respekt der meisten zu genießen. Trotz allem, was geschehen ist.
Kleinkrieg um Tourismus-Chef



Und damit ließen sich Bücher füllen. Im Kern ist es Folgendes: Der Wein-Nachts-Markt endete mit einem viel größeren Defizit als erwartet. Holzmann spricht von etwa 115 000 Euro minus. Die Stadt, die ihrem Tourismus-Chef die Schuld zuweist, von 184 000 Euro. Schon seit Wochen untersucht die Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich, wer recht hat. Es sei zu Verzögerungen gekommen, weil kommunale Angestellte, die dringend befragt werden mussten, in Urlaub oder krank waren. Bald jedoch soll ein Entwurf des Prüfberichts zur Stellungnahme an die VG-Verwaltung rausgehen. Bis der fertige Bericht vorliegt und im Stadtrat der Öffentlichkeit präsentiert wird, kann es jedoch dauern.
Unterdessen tobt um die Personalie Holzmann ein Kleinkrieg, der mit dem Defizit nicht mehr viel zu tun hat. Ja, so mancher vermutet, dass es bei alledem noch nicht einmal wirklich um Holzmann geht. Sondern um ein generelles Problem, das die agierenden Gruppen (Verwaltungsleute hier/Unternehmer dort) und Persönlichkeiten miteinander haben. Doch so ganz genau weiß in Traben-Trarbach niemand mehr, was vor sich geht.
Was auch immer die Ursache des Streits sein mag - er hat inzwischen handfeste Folgen: Die Stadt hat Holzmann rausgeworfen. Er klagt dagegen. Zu Saisonbeginn steht die Tourist-Info ohne Leiter da. Zwei Angestellte sind krank. Wie es weitergeht, ist offen. Hoteliers, Gastronomen und Geschäftsleute sorgen sich.
Der Grund dafür, dass die Stadt das Arbeitsverhältnis mit Holzmann beendet hat, ist nicht der defizitäre Markt. In einem von vielen Anwaltsschreiben, die dem TV vorliegen, wirft ihm die Rechtsanwältin Margit Bastgen vor, bei seiner Bewerbung arglistig getäuscht zu haben: Er verfüge nicht über die von ihm angeführten Erfahrungen im Tourismus-Marketing. Denn die Firma Condor Vision (deren Geschäftsführer Holzmann nach eigenen Angaben war) habe es nie gegeben. Holzmann sagt, dass es sie sehr wohl gab, sie sei nur nicht unter ihrem komplizierten Registernamen vermarktet worden. Zudem wirft die Stadt ihm Dokumentenfälschung vor. Denn Holzmanns Zeugnis wurde von seiner Ehefrau unterzeichnet. Dies erklärt er damit, dass sie als zweite Gesellschafterin die einzig hierzu Berechtigte gewesen sei. Und schließlich wirft sie ihm vor, bei seiner Bewerbung über die Insolvenz seiner chilenischen Firmen geschwiegen zu haben - was Holzmann einräumt - und diese Insolvenzen zudem verschleppt zu haben - was er zurückweist.
Trotz Holzmanns Erklärungen erstattete die Stadt Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Trier und veröffentlichte die Vorwürfe per Pressemitteilung. Wenige Tage zuvor hatte Heide Pönnighaus bereits den Link zu einer chilenischen Internetseite an die Presse herausgegeben, auf der von einem internationalen Haftbefehl gegen Holzmann die Rede war. Eine Information, die sich als falsch herausstellte. Pönnighaus will sich zu alledem nicht äußern. "Ich bin entsetzt, wie die Behörde mit dieser Personalie in der Öffentlichkeit umgeht", sagt der Rentner Rudolf Gattwinkel, einer der vielen, die zur letzten Stadtratssitzung kamen und einer der wenigen, die sich trauen, ihre Meinung öffentlich kundzutun.
Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob sie Ermittlungen aufnimmt. Und Holzmann macht Urlaub. Um mal rauszukommen aus Traben-Trarbach, das derzeit idyllischer wirkt, als es ist.

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