Für kleine Sünden in den "Bulles"

Von 1855 bis 1944 befand sich das "Berncasteler Cantons-Gefängnis" im ehemaligen Haus Pfeiffer in den Weinbergen außerhalb der Stadt Bernkastel. Eduard Pfeiffer, der Enkel des letzten gleichnamigen Cantons-Gefängnis-Verwalters, ließ nun an seinem Haus, einem Neubau aus dem Jahre 1972, zur Erinnerung an fast 100 Jahre Gefängnis-Geschichte eine Gedenktafel anbringen.

 Annemarie Staudt, Monika Pfeiffer, Wolfgang Port und Eduard Pfeiffer (von links) begutachten die neue Schiefertafel am Haus Pfeiffer, Alter Graacher Weg 1, die an das ehemalige Berncasteler Cantons-Gefängnis erinnert. Darunter ein Porträt des letzten Gefängnis-Verwalters, Eduard Pfeiffer,gemalt vom bekannten Morbacher Künstler Terwei. TV-Foto: Marita Blahak

Annemarie Staudt, Monika Pfeiffer, Wolfgang Port und Eduard Pfeiffer (von links) begutachten die neue Schiefertafel am Haus Pfeiffer, Alter Graacher Weg 1, die an das ehemalige Berncasteler Cantons-Gefängnis erinnert. Darunter ein Porträt des letzten Gefängnis-Verwalters, Eduard Pfeiffer,gemalt vom bekannten Morbacher Künstler Terwei. TV-Foto: Marita Blahak

Bernkastel-Kues. Nüsseschütteln am heiligen Sonntag, unerlaubtes Forellenfischen mit einer Gabel, Jagdvergehen, Betteln, Schulversäumnis, Entwenden von Brot, Dünger oder Trauben, Trunkenheit oder grober Unfug — all diese Freveltaten wurden anno dazumal je nach Schwere der Tat mit mehreren Stunden oder Tagen im Bernkasteler Cantons-Gefängnis verbüßt. In zwei mit schweren Ketten und Schlössern gesicherten Zellen mit Guckloch saßen die Missetäter ein. Geldstrafen waren nicht an der Tagesordnung — denn dafür fehlte diesen Leuten einfach das nötige Geld. In dicken Tages-Rapportbüchern sind in den Eintragungen die Zu- und Abgänge samt Freveltaten nachzulesen. Die Missetäter kamen aus allen Orten des ehemaligen Cantons. Oftmals saßen in den Zellen bis zu acht Häftlingen, an anderen Tagen stand der "Bulles" aber auch leer. "Wer zwischen den Zeilen der knappen Eintragungen zu lesen versteht, erkennt dabei, dass man anno dazumal in vielen Moselorten und in den Dörfern des Hochwaldes vom Wirtschaftswunder weit entfernt war. Die pure Armut ist aus vielen Freveltaten zu erkennen, denn wegen Weiden- oder Ginsterdiebstahl war so mancher Besenbinder oder Korbflechter eingesperrt worden, der sich sein Arbeitsmaterial billig zu beschaffen trachtete", berichtet die Bernkasteler Zeitung "Mosella" in einer Aprilausgabe 1965 über den ehemaligen "Bulles".Der letzte, 1944 verstorbene Gefängnisverwalter war Eduard Pfeiffer. 1972 wurde das Wohnhaus, an dessen Rückfront sich die beiden Zellen befanden, abgerissen. Zur Erinnerung an das Cantons-Gefängnis ließ Enkel Eduard Pfeiffer an seinem Haus an gleicher Stelle nun eine Erinnerungstafel anbringen. Im Beisein von Familie und Gästen enthüllte er mit seiner Ehefrau Monika die Schiefertafel, die in der Werkstatt von Peter Roth gefertigt wurde. "Es war mein großer Wunsch, dass das einstige Cantons-Gefängnis nicht vergessen wird und der Öffentlichkeit in Erinnerung bleibt", begründet Eduard Pfeiffer die Anbringung der Tafel. Stadtbürgermeister Wolfgang Port dankte der Familie Pfeiffer für ihr En gagement. "Ich freue mich über Bürger, die solch eine Privat-Initiative ergreifen", lobte Port. Es gebe sicher noch viele, die sich an das Gefängnis erinnern können.Die Schwester des letzten Gefängnisverwalters, Lena Pfeiffer, hat einst den Bulles geleitet und sich auch um die Gefangenen gekümmert. "Bei der Stadtverwaltung hat sie für die Häftlinge um Lebensmittelkarten gebettelt und oft auch für die armen Sünder gekocht", erinnert sich Annemarie Staudt, Enkelin des Gefängniswärters Pfeiffer. Als Kind habe sie die Gefängniszeiten selbst noch miterlebt. Da das Haus der Pfeiffers, Alter Graacher Weg 1, am heutigen Wanderweg nach Traben-Trarbach steht, werden viele Spaziergänger die Tafel lesen. Sie ist somit ein sichtbares Stück Bernkasteler Geschichte, die lebendig bleibt. Viele Geschichten ranken sich um dem "Bulles", viele können sich noch an die Zeiten erinnern. Ob es aber noch Gefängnis-Insassen gibt, die die Zellenzeit am eigenen Körper erlebten und darüber erzählen könnten, ist nicht bekannt...

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