Fortschritte im Gummistiefel-Land

WITTLICH. 18 Hektar am Rande von Wittlich sollen einmal ein neues Zentrum werden: Die ehemalige Kaserne wird dem Erdboden gleichgemacht, damit Bauland entstehen kann.

Arco ist nicht mehr der jüngste, aber noch ein scharfer Hund. Er bellt gefährlich. Vor seinem Zwinger steht der Mann vom Wachdienst, der mit dem Vierbeiner auf der Riesenbaustelle sein Runden dreht. Er sagt: "Das war ja einmal eine Musterkaserne. Das stimmt schon traurig, dass alles abgerissen wird. Hier überall waren Rosen, herrliche Blumen. Sehen Sie, da blüht noch eine!" Der kleine Farbtupfer fällt auf. Ringsum leere Fenster in den riesigen Militärgebäuden, brauner Matsch bedeckt den Boden, dazwischen eine Reihe Akazien-Bäume. Sie werden irgendwann in einem neuen Grünstreifen Schatten werfen. Dazwischen Berge von grauem Natursteinpflaster, ein Haufen zerknickter alter Regenrinnen, Baggerschaufeln in verschiedenen Größen ruhen Seite an Seite. Das zerborstene Dach eines Mannschaftsgebäudes klafft in den Himmel, auf der Erde stehen zwei Telefonzellen mitten im Niemandsland. Dachpappe schmiegt sich wie ein alter Lappen über Bauschutt. Irgendwo quietschen und rumpeln Bagger und graben ihren Arm in einen Mauerrest. Die großen Militärgebäude sind schon ausgeschlachtet. Die Abbruchfirma kann aus manchem noch ein gutes Geschäft machen: Fenster gehen in den Osten, das alte Eichenparkett wird für die Renovierung bayerischer Schlösser wiederverkauft, das Natursteinpflaster ist ebenfalls begehrt, Heizkörper bringen den Schrottwert: Manch ein Einzelteil der Kaserne wird eine neue Geschichte erleben, genau wie das Gelände, von dem es stammt. Melanie Schlösser von den Wittlicher Stadtwerken, die das Konversionsprojekt betreuen, sagt: "Das Abbruchunternehmen hat mit 250 Arbeitstagen gerechnet. Demnach wären sie im Spätsommer 2005 fertig. Jetzt rechnen sie mit 180 Tagen." Wenn die Bagger abziehen, ist alles ebenerdig, brauner Matsch, Baufläche eben. Auf dem Papier, dem Masterplan, existiert schon die Zukunft in Zeichnungen. Wichtigstes Projekt, damit die Ansiedlung klappt sind die Straßen. Ein Kreisverkehr an der L 141, gegenüber Gartenland Schmitt, wird die Hauptzufahrt zum Gelände öffnen. Sie wird auf die eine Achse zwischen Klausener Weg und Römerstraße treffen. Die Römerstraße wird dann zur L 141 geschlossen werden. Noch ragen allerdings die Fassaden der entkernten Gebäude aus dem Matsch. "Als Nächstes kommt der Langfrontbagger und nimmt die Dächer runter", erklärt Melanie Schlösser. Dann fallen die Mauern. Auch die der früheren Fahrschule, wo als Wandgemälde jetzt noch ein radelnder Supermann mit einem ordentlichen Schwipps vor Alkohol warnt. Auch für die, die das riesige Gelände trotz Wachdienstes besucht haben, ist dann Schluss. "Bei der Begehung der drei Gebäude am Klausener Weg, die stehen bleiben sollen, haben wir überall Zeitungen und leere Flaschen gefunden", sagt Melanie Schlösser. Wenn die Gebäude abgebrochen sind, werden auch die Anrufer bei der Stadt aufgeben. "Sowieso läuft die Vermarkung des Materials über die Abbruchfirma. Es rufen aber immer mal Wittlicher an, die Pflaster, Regenrinnen oder Fenster gebrauchen können. Einer war früher mal am Tag der offenen Tür in der Kaserne. Der wollte unbedingt die Salzschütten aus der Küche haben", erinnert sich die Frau von den Stadtwerken. Verschwunden ist vor den Gebäuden aber schon längst weit mehr: Ein Nachbar, Willi Steilen, lebt seit über 40 Jahren in der Kasernenstraße. Er steht dort allein am Bürgersteig und blickt in Richtung Konversionsgebiet: "Das war ein Leben hier. Die Franzosen, das waren angenehme Leute. Da im Kasino haben sie gefeiert. Man hat alle gekannt. Viel haben Deutsche geheiratet. Einer hatte zwei Söhne. Der eine ist dann bei den Franzosen Soldat geworden, der andere bei den Deutschen."

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