Garde in der ersten Bank

WINTRICH. Die Regel ist es wohl nicht, dass sich in der Wintricher Pfarrkirche die Menschen dicht an dicht zur Abendmesse drängen. Doch am Samstag war alles etwas anders – sogar ein wenig närrisch, denn die Wintricher "Piffich Kerl’cher" feierten ihr 55-jähriges Bestehen.

Nicht nur, dass Sitzplätze Mangelware waren und etliche Gläubige daher gleich mit einem Stehplatz vorlieb nehmen mussten. Selbst in den ansonsten etwas verschmähten vorderen Reihen herrschte dichtes Gedränge. Denn die gehörten an diesem Abend den Narren des Karnevalsvereins, der sein goldenes Jubiläum feierte. Aus Anlass des 55-jährigen Bestehens hatten sich die "Piffich Kerl'cher Wintrich" samt närrischer Gästeschar in knallbunten Gewändern eingefunden. Inmitten von Blau-Weiß, schrillem Rot und schillerndem Grün fehlten lediglich die Narrenkappen, derer sich die "Kerl'cher" - wie es sich in der Kirche gehört - zuvor entledigt hatten. Nichts zu beanstanden gab es auch in der ersten Reihe, wo die Gardemädchen in kurzen Röckchen Platz genommen hatten. Wer nicht hatte glauben können, was selbst im Pfarrblatt zu lesen war, wurde an diesem Abend eines Besseren belehrt. Wie die beiden Kirchgänger, die sich in normaler Kleidung nach vorne gesetzt hatten. Das gehe heute nicht, machte ihnen Pfarrer Leo Ehses klar. Heute habe der Karnevalsverein Vorrang. Dass Narren einiges bewegen können, zeigte sich auch am veränderten Zeremoniell, bei dem Damen in Blau-Weiß vom Altar aus das Wort an die Gläubigen richteten. Wie Prinzessin Sylvia I., die den üblichen Wortlaut ein wenig abgewandelt hatte. "Der Herr erhalte unseren Karnevalsverein, er lasse ihm den Humor nie ausgehen", bat sie in die gemischte Runde. Die Kirchgänger zeigten sich von der Messe angetan. Doris Jüngling hat es gut gefallen. Die Fürbitten seien sehr gut gewesen, lobte Bianca Ballman. Sie sei überrascht, "dass das überhaupt so funktioniert mit den Gardekostümen." Vor allem, wo doch sonst so großen Wert auf bedeckte Beine gelegt werde. "Beim nächsten Jubiläum kann man das ruhig noch mal so machen", ermunterte sie in Richtung "Piffich Kerl'cher" und Kirche. Ihr Pfarrer mache da immer mit, verriet Haushälterin Gretel Baulig. Dabei sei er eigentlich gar kein "ausgesprochener "Fastnachter". "Die Messe war sehr gut", fand Ludwig Auler. Überrascht hatte ihn das aber nicht. "Ich kenn' doch unseren Häa", ließ er durchblicken, dass Pfarrer Ehses sich immer freue, wenn die Kirche voll sei. "Heute war er zufrieden", sagte Auler. Auch Heidi Schaefer fand die Messe sehr ansprechend: "So etwas müssen sie machen, um die Leute zu begeistern." Selbst schon mal etwas kritischere ältere Damen hatten nichts auszusetzen. Wunderbar sei das gewesen, fand Maria Fischer. "Die Messe war wirklich schön - die Leute waren mit Leib und Seele dabei", bekräftigte Küsterin Katharina Auler. Schön, dass ihr Pfarrer da mitmache. Von der Kirche aus zog die gesamte Gesellschaft geschlossen zur Festhalle "Vindriacum". Unterwegs stand Pfarrer Ehses seinen Schäfchen erneut zur Seite. Nicht in knallbunt, aber in afrikanischer Montur schloss er sich dem Umzug an. Bei der eigentlichen Jubiläumsfeier wirbelten dann Tänzer im Wechsel mit zahlreichen Festrednern über die Bühne. Unter ihnen Landrätin Beate Läsch-Weber. "Mit ihrem ansteckenden Humor bereichern sie das Miteinander", würdigte sie die Fröhlichkeit der Wintricher, die wegen der kurzen Fastnachtssession ihr Fest kurzerhand in den April verlegt hatten.

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