Gedanken auf dem Friedhof

Der Novemberwind weht über den Friedhof. Blätter decken die Gräber: die der Reichen und die der Armen - die der Betrauerten und die der Vergessenen. Ich bleibe stehen vor einem Stein. Ich lese den Namen, den ich nicht kenne.

Hier ruht in Frieden... In wem weckt dieser Name noch Erinnerungen oder gar Dank und Liebe? Was bleibt von mir? Von meinem Körper, meiner Haut, von dem, was ich denke und empfinde, von dem, was ich tue? Wir müssen alle mal dran glauben. Solange es Menschen gibt, sehen sie den Tod vor Augen. Und doch: Gegen den Augenschein, gegen die ständige Erfahrung des Sterbens setzen sie ihren Glauben, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Ob es nicht hinter allem einen gibt, der erkennt, wer wir sind? Einen, der uns an der Hand nimmt und uns in Liebe anschaut? Im Alten Testament ist es aufgezeichnet. Eine Stimme spricht: "Fürchte dich nicht, ich fasse dich an der Hand; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!" Es war dann einer, der machte diese Stimme wieder vernehmbar, der stärkte alle in diesem Vertrauen. Die mit ihm lebten, sagten sogar, er sei ihnen nach seinem Tod als Lebendiger begegnet. Das ist fast 2000 Jahre her. Aber es gibt noch heute Menschen, die glauben, er habe auch sie in ein neues, ja das eigentliche, ewig gültige Leben gerufen. Mitten im Tod sind wir vom Leben umfangen. Das ist die Hoffnung, an die ich mich glaubend herantaste. Und ich meine: Wir werden es sterbend und lebend erfahren. Wir werden alle mal daran glauben müssen. Nein: glauben dürfen. Rudolf Halffmann, Dechant

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