Gerade so wie die Weltelite

WITTLICH. Kapriolen am Start, Wetterkapriolen vom Himmel und farbige Schleifen an den Schläfen der Sieger: Beim Reit- und Springturnier in Wittlich zeigten Reiter und Pferde, was in ihnen steckt.

Raffinesse, Luftikus und Kapriole, Countrymusik, Schneegestöber, vom Winde verwehte Blumenstöcke und bunte Abzeichen an den Schläfen stolzer Pferde, von denen einige aussehen, als wären ihnen Hörner gewachsen: Wer nicht zu den Eingeweihten in die Rituale des Reitsports gehört, stand manchem, was sich da am Wochenende unterhalb der Weinberge abspielte, recht hilflos gegenüber. Raffinesse und Kapriole heißen die Pferde, so viel war schnell klar. Weitaus unspektakulärer die Namen derer, die da in vorbildlich aufrechter Haltung über den Parcours stoben und Strafpunkte zu vermeiden suchten: Jonas, Kerstin, Angelina und Jörg heißen sie, was schon vertrauter klang. Ansonsten pfiff ein arktischer Wind Reitern und Zuschauern um die Ohren. Am Parcours stehen aufmerksame Familienmitglieder. Sie sind natürlich Eingeweihte ins Geschehen. Im Fell eines Jagdhundes sammeln sich die Schneeflocken, er fröstelt sichtbar. Ja, überproportional vertreten sind hier die Hunde - und die Glimmstängel. Aus welcher Tradition das nun wieder herrühren mag? Doch ein freundlicher Herr, auch er übrigens Raucher, erklärt bereitwillig die Zusammenhänge des Turniers: Joachim Schmitt heißt er und ist seit fünf Jahren Vorsitzender des Wittlicher Reit- und Fahrvereines, der traditionell das erste Freiluft-Turnier der Saison ausrichtet: daher der starke Andrang, der den - erwünschten - familiären Charakter des Spektakels allmählich zu sprengen droht. Seit 40 Jahren trifft sich hier kurz vor und zum 1. Mai, was im Reitsport Rang und Namen hat, und zwar von Nordrhein-Westfalen über die Niederlande bis hin nach Luxemburg. Sonst habe das Reiten aber nicht mehr viel mit Tradition zu tun, erklärt Joachim Schmitt. Zeitgemäße Modelle wie die Halbpacht ersetzen in weiten Teilen das beachtliche Vermögen, das ein Reiter in früheren Zeiten durchaus gebraucht hat. Wie Tennis steht längst auch der Pferdesport allen Gesellschaftsschichten offen. Was manches Pferd wie gehörnt aussehen lässt, ist übrigens ein Überzug für geräuschempfindlichere Tiere. Die bunten Abzeichen der Siegerpferde heißen Schleifen und gehören dem Pferd, der Reiter erhält den Ehrenpreis, das gewonnene Geld geht an den Besitzer des Tieres. Die Preisgelder sammeln die Vereinsmitglieder bei regionalen Firmen ein, über deren Einsatz Schmitt äußerst froh ist. Für den reitenden Nachwuchs sei es phantastisch, ein so großes Turnier in Wittlich zu haben. 1,60 Meter hohe Hindernisse

Hier sehen sie Springprüfungen bis hin zur höchsten Klasse S, nach deren internationalen Normen auch die Weltelite springt. Die ist natürlich nicht hier am Start, reitet aber nach identischen Regeln: Die zu bewältigenden Hindernisse sind bis 1,60 Meter hoch. Neben der Höhe bestimmt auch die Schrittfolge zwischen den einzelnen Hindernissen den Schwierigkeitsgrad eines Parcours. Gebaut wird der Parcours in diesem Jahr von Detlef Weyand, einem Profi im Geschäft. "Ich glaube, der lebt irgendwie nur für den Pferdesport", sagt Schmitt, "und hat hier auch einen Assistenten dabei." Das ist Vorschrift bei Springen der S-Klasse. Auch die Richter urteilen im Team, damit die Objektivität gewahrt bleibt. Immerhin bestimmt sich der Marktwert der Pferde durch ihre Platzierungen. Dopingproben sind obligatorisch, und ein Tierarzt ist während aller Tage anwesend. Dass es sich bei diesem Reit- und Springturnier immer noch um ein gesellschaftliches Ereignis handelt, zeigt ein Blick auf die Gästeliste. Am Sonntag ehrte MdL Elfi Meurer die Sieger der S-Klasse. Mit kesser Halbschürze, das Geschirrtuch seitlich untergeschlagen, leistete der Beigeordnete der Stadt, Rudolf Bollonia, Küchendienst. Und heute, Montag, wird auch Bürgermeister Ralf Bußmer vorbeikommen.

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