Gericht sagt Nein zur Selbstjustiz: Geldeintreiberei: Trierer Richter werten Fall aus Kröv als Freiheitsberaubung und Nötigung

Kröv/Trier · Erfolg in zweiter Instanz: Mit deutlich milderen Strafen hat das Landgericht Trier das Verfahren gegen fünf Männer abgeschlossen, die 2012 von zwei Geschäftspartnern in Kröv Geld gefordert und dabei eine Waffe gezogen hatten. Statt als erpresserischen Menschenraub und versuchte räuberische Erpressung wertet das Gericht den Fall nun als Freiheitsberaubung und Nötigung.

Der eine kämpft mit den Tränen. Ein Zweiter stiert stundenlang ins Leere. Wieder ein anderer kaut ständig an den Fingernägeln und wirkt übernächtigt. Der Sitzungssaal im Trierer Landgericht lässt am Mittwoch bei den fünf Männern auf der Anklagebank unangenehme Erinnerungen wiederaufleben. Erinnerungen an eine Zeit von vor fast drei Jahren, als sie mehrere Monate in U-Haft saßen. Und Erinnerungen an die Zeit davor, als sie sich im Clinch mit einer Baufirma befanden.

Was war passiert? Die fünf Angeklagten - einer aus Hessen, als einziger vorbestraft, vier bis dato unbescholtene Männer aus Polen - hatten im Sommer 2012 den Geschäftsführer der Baufirma und dessen Angestellten in Kröv aufgesucht: Das Quintett hatte für das Unternehmen auf einer Baustelle gearbeitet - der Hesse als direkt von der Firma beauftragter Subunternehmer, die Polen wiederum als von diesem beauftragte Selbstständige. Doch das Unternehmen zahlte dem Subunternehmer nicht die vereinbarten Abschläge. Mal mit der Begründung, dass die Arbeiten mangelhaft seien. Dann wieder, weil angeblich Unterlagen fehlten, die darlegten, dass die polnischen Bauarbeiter keine Schwarzarbeiter seien.

"Wir hatten keine Möglichkeit mehr, unsere Unterkunft zu bezahlen, wir konnten unseren Familien kein Geld mehr schicken, wir mussten irgendetwas machen", schildert einer der Bauarbeiter die Situation. Und so forderten die fünf Männer einen vierstelligen Betrag von den Firmenvertretern. Als diese die Zahlung verweigerten, zog einer der Angeklagten eine Schreckschusspistole. Der Angestellte bot daraufhin an, mit drei Männern zur Bank zu fahren. Doch stattdessen hielt er in Wittlich vor der Polizeiinspektion und flüchtete in die Dienststelle.
In erster Instanz wertete das Landgericht Ende 2012 den Vorfall als räuberischen Menschenraub und versuchte schwere räuberische Erpressung und verurteilte die Männer zu Freiheitsstrafen, die bei dem Subunternehmer und dem Bauarbeiter, der die Schreckschusspistole eingesetzt hatte, nicht zur Bewährung ausgesetzt wurden (der TV berichtete). Doch der Bundesgerichtshof hatte rechtliche Zweifel (siehe Extra) und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung ans Landgericht zurück.

Von einer fast drei Jahre andauernden "Hängepartie" spricht Richter Albrecht Keimburg. Er wie auch alle anderen Prozessbeteiligten sind bestrebt, den Fall nun möglichst schnell abzuschließen - und folgen dabei der Auffassung des BGH: dass nämlich die fünf Männer tatsächlich davon überzeugt waren, das geforderte Geld stehe ihnen zu. Dass diese Forderung zumindest für den Subunternehmer sogar bestand. Nur dass die beiden Vertreter der Baufirma - beide sind mehrfach vorbestraft und bereits Gefängniserfahren, einer soll wegen Betrugs mit Haftbefehl gesucht werden - eben einfach nicht zahlen wollten oder konnten. Dennoch, das betont Richter Keimburg, säßen "nicht die Falschen auf der Anklagebank": "Wir müssen dafür sorgen, dass es keine Form der Selbstjustiz gibt!"

Statt wegen erpresserischen Menschenraubs und versuchter schwerer räuberischer Erpressung werden die fünf Angeklagten wegen Freiheitsberaubung und Nötigung zu Freiheitsstrafen zwischen - je nach Tatbeitrag - zwölf und 21 Monaten auf Bewährung verurteilt. Ein Urteil, das die fünf Männer auf der Anklagebank sichtlich erleichtert zur Kenntnis nehmen.Extra

Drei Angeklagte hatten gegen das erste Urteil des Trierer Landgerichts Revision eingelegt, woraufhin der BGH den Fall rechtlich bewertete. Die Karlsruher Richter waren der Auffassung, dass in erster Instanz nicht ausreichend überprüft wurde, ob die Angeklagten möglicherweise geglaubt hatten, einen Anspruch auf das geforderte Geld zu haben. Dann nämlich liegt rechtlich gesehen keine Erpressung vor - und somit auch kein erpresserischer Menschenraub und keine versuchte schwere räuberische Erpressung. neb

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