"Graf und nichts anderes"

MANDERSCHEID. Edgar Durchdewald (67) spielt den Greafen von Manderscheid seit 19 Jahren - mit großer Hingabe. Der Schwabe, der 1965 nach Manderscheid kam, machte sich kundig in Manderscheids Geschichte und schneiderte sogar seine Kostüme selber. Der TV sprach mit ihm über sein zweites Ich.

Sie sind seit 19 Jahren der Graf. Wollen Sie nicht mal jemand anderes sein? Durchdewald: Nein, ich will nichts anderes als den Grafen spielen. Und es ist ja auch in weiter Ferne kein Nachfolger in Sicht. Was fasziniert Sie am Mittelalter? Durchdewald: Ich bin sehr romantisch veranlagt und nostalgisch. Wie äußerst sich das? Durchdewald: Als ich ein junger Spund war und meine Kameraden nach Autos und Motorrädern gehorcht haben - damals gab es noch nicht so viele - da bin ich, bildlich gesprochen, lieber Veilchen oder Gänseblümchen pflücken gegangen (lacht). Vielleicht wäre ich besser ein Mädchen geworden (lacht noch mehr). Aber diese Rollenklischees, das ist ja längst out. Durchdewald: Das ist out, das ist richtig. Wie kamen Sie darauf, den Grafen zu spielen? Durchdewald: In meiner Jugend habe ich gerne Theater gespielt. Die Liebe zu den Brettern, die die Welt bedeuten, habe ich von meiner Mutter geerbt. Beim Burgenfest bin ich Gründungsmitglied. 1985 haben wir das Fest zum ersten Mal gefeiert. Und da ich sonst nichts Anderes kann, habe ich gesagt, ich schreibe Theaterstücke, und wir spielen dann Theater. Es ging immer um die Manderscheider Geschichte. Es sind sind sechs Theaterstücke geworden. Wie haben Sie sich kundig gemacht über die Zeit des Grafen? Ich habe viele Schriften aus dem Rheinischen Landesarchiv über die Geschichte des Hauses Manderscheid gelesen. Das Archiv ist voll davon, die Manderscheider Geschichte ist sehr umfangreich. Die Grafen der Niederburg hatten beratende Funktionen bis hinauf zum Kaiser. Sie haben viele Kurfürsten und Erzbischöfe gestellt bis Ende des 18. Jahrhunderts. Und wenn man weiß, dass im Mittelalter ein Kurfürst oder Erzbischof nur einen Herrn über sich hatte, das war der deutsche König oder Kaiser, dann weiß man, was die Manderscheider an Bedeutung hatten. Aus dieser Historie schöpfe ich meine Ideen. Aber die werden dann mit Fantasie ausgeschmückt? Durchdewald: Natürlich. Die künstlerischen Freiheiten sollten auch dazu gehören. Aber alle Hauptfiguren haben gelebt. Wie kam es, dass die Manderscheider Grafen so viel Macht hatten? Durchdewald: Geld zu Geld, Macht zu Macht. Die Manderscheider Hochzeitsstrategie war auch schon immer berühmt und gefürchtet. Die haben sich immer die reichsten und die edelsten Damen und Herren ausgesucht. Oft haben sie auch Verwandtschaft geehelicht, um alles zusammenzuhalten. Inzucht also? Durchdewald: (lacht) Wenn Sie so wollen. Welchen Grafen spielen sie am häufigsten? Durchdewald:Das ist Wilhelm VI., der von 1315 bis 1375 gelebt hat. Mittlerweile bin ich schon 350 Mal in die Rolle geschlüpft. Wilhelm VI. hat dem Erzbischof Balduin von Trier getrotzt. Der Erzbischof wollte ihm die Niederburg streitig machen. Er hat sie belagert, aber zweieinhalb Jahre lang war dieses Unterfangen vergebens. Wie hat Manderscheid im Mittelalter ausgesehen? Durchdewald: Das war früher ein ganz kleiner Flecken. Man schätzt so um die 100, 150 Einwohner, das war schon sehr viel für diese Zeit. Manderscheid hatte ganz viele Handwerksbetriebe: Webereien, Stickereien, Gerbereien, Schreinereien - alles was man auf dem Handwerkermarkt vom Burgenfest wiederfinden kann. Was war ihr komischster Zwischenfall als Graf? Durchdewald:Als wir mal unseren früheren Landesvater begrüßten, Karl Ludwig Wagner von Trier mit all seinen Begleitern, da habe ich zu ihm gesagt: Seid ihr so etwas wie Kurfürst Balduin von Trier? Da wiegte er den Kopf hin und her und sagte: Ja - nein - in etwa. Ich fragte: Reist er inkognito, dass er so ärmliche Gewänder trägt, oder ist seine Schatulle leer, dass er sich keine edlen Gewänder leisten kann? Da hat alles im Chor gerufen: Das letztere. So könnte ich jetzt fortfahren bis morgen früh. Werden Sie jetzt am Burgenfest am letzten Augustwochenende wieder Theater spielen? Durchdewald: Natürlich sind wir an beiden Tagen mit kleinen Vorstellungen präsent. Es ist schwierig, 25 Laienspieler unter einen Hut zu bringen. Die Fragen stellte Redakteurin Marion Maier.

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