Gut Ding will Weile haben

Zweige von Apfel- oder Kirschbäumen, von Forsythiensträuchern oder anderen Frühlingsblühern werden heute oder morgen aus vielen Gärten in die Häuser geholt, um unsere Sehnsucht nach etwas Blühendem und unsere Hoffnung auszudrücken.

Dahinter steht die Erfahrung, dass solche Zweige ungefähr drei Wochen Zimmerwärme brauchen, um Blüten zu tragen. Dass man diese Zweige "Barbarazweige" nennt, weil dieser 4. Dezember der Gedenktag der heiligen Barbara ist, wissen viele noch. Was es aber mit dieser Barbara, einer Heiligen aus der frühchristlichen Zeit, auf sich hat, ist nicht mehr allgemein bekannt. Der Brauch mit den Barbarazweigen soll auf ihre Gefangenschaft zurückgehen. Die Legende erzählt, sie habe einen verdorrten Kirschbaumzweig mit in ihre Zelle schmuggeln können, als sie wegen ihres Bekenntnisses zum christlichen Glauben gefangen genommen wurde. Dort soll sie diesen Zweig mit Tropfen aus ihrem Trinknapf benetzt haben. Der Zweig begann zu blühen und tröstete sie in den letzten Tagen ihres Lebens. Nun sind wir heute keine Gefangenen um Christi willen. Dennoch können die Zweige für uns bedeutsam sein. Barbarazweige sind mir Zeichen für das Leben, das manchmal wie abgestorben scheint. Wenn es umsorgt, mit Wasser benetzt wird, Wärme und Zuwendung bekommt, kann es wieder aufblühen. Barbarazweige zeigen mir auch, dass es notwendig ist, Geduld zu haben und warten zu können. Wenn wir sie heute oder morgen ins Haus holen, können und dürfen wir nicht erwarten, dass sie übermorgen blühen. Gut Ding will Weile haben, sagt ein altes Sprichwort. Das vergessen wir allzu oft. Die knospenden Zweige können uns wieder dran erinnern. So gesehen, sind sie ein adventliches Zeichen in einer Zeit, die das Wartenkönnen verlernt hat. Werner Bühler Seelsorger in Wittlich

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