Harry schwebt über allem

WITTLICH. Aufgeregte Sechstklässler, staunende Mitschüler, spannende Bücher und eine Jury, die ihre Entscheidung ausgiebig ausdiskutierte: Die Kreissieger des Vorlesewettbewerbes 2005 heißen Patrick Davoudi und Florian Junk.

Harry Potter hat das Lesen bei der jungen Generation wieder salonfähig gemacht. In der Wittlicher Stadtbücherei ging es nicht nur ums Lesen, sondern auch und vor allem ums Vorlesen. Zum 46. Mal veranstaltete der Börsenverein des Deutschen Buchhandels seinen Wettbewerb, der damit auf Kreisebene entschieden ist. Traditionell organisiert eine Mitarbeiterin der Wittlicher Stadtbücherei das Vorlesen, zu dem die kleinen Leseratten samt Mitschülern, Freunden, Geschwistern, Eltern und Lehrern anreisen. Stühle waren knapp, als Anke Freudenreich die jungen Vorleser begrüßte und sie auf Stunden einstimmte, in denen sie den Beweis antreten wollte, "dass es auch noch Jugendliche gibt, die gerne lesen, gut lesen und Spaß dabei haben". Die Kandidaten hatten bereits einmal gewonnen: Beim schulinternen Wettbewerb hatten sie sich als die besten Vorleser der sechsten Klassen ihrer Schulen herauskristallisiert. Und sie lasen auf einem hohen Niveau in diesem Jahr. Den Anfang machte Patrick Davoudi von der Hauptschule Traben-Trarbach mit einer Geschichte von Jürgen Banscherus. Er erwies sich als erster "Knaller". Der Spaß, den er beim Lesen hat, war unübersehbar. Ärger und Stress, Freude und Bewegung der Akteure von "Simon sieht rot" teilte sich den lauschenden Gästen nicht nur über die Worte des Dichters, sondern auch über Stimme, Augen und Mimik des Kandidaten mit. Diese ideale Kombination eines Vorlesers belohnte die Jury, in der auch der Vorjahressieger Christian Goergen saß, mit dem ersten Platz in der Gruppe A. Danach mussten die Realschüler und Gymnasiasten "ran an die Buletten". Spannend waren die mitgebrachten Geschichten der Jugendlichen, für die sie jeweils drei Minuten Zeit hatten; mitreißend war auch das von Anke Freudenreich ausgesuchte Buch, aus dem jeder noch einmal zwei Minuten vorlesen sollte, "Die Medlevinger" von Kristin Boje. "Fremdtext" heißt das im Fachjargon, und der Text hatte es in sich. Elfeen - kein Druckfehler - oder Zypressen: Das Stolpern beim Vorlesen war fast unumgänglich, doch das passiert schließlich auch den besten Vorlesern. Ein paar Mal Stolpern macht nichts, auch wenn einige sehr nervöse Kinder die strengsten Kritiker ihrer eigenen Kunst waren. So blieben Tränchen nicht aus, denn auch Verlieren will gelernt sein. Vor allem, wenn es derart knapp zugeht wie in der Wittlicher Bücherei, wo die Verantwortlichen bewusst nur einen Sieger pro Gruppe auszeichnen. Alle anderen erhalten automatisch zweite Plätze, Silbermedaillen sozusagen. Diebe und vertauschte Zwillinge, Krabat und ein Skelett in der Mauer, Vorstadtkrokodile, Fußballer, Staatsfeinde und Drachenreiter: Ein phantastisches Völkchen entsprang den Büchern. Während Magier Hamid nach dem Vorlesen der Schüler seine Zuschauer mit "echtem" Luftgeld beschenkte, rauchten noch einmal die Köpfe der Jury. Maria Bernard, Bildungs-Fachbereichsleiterin der Kreisverwaltung, erklärte Florian Junk vom Wittlicher Peter-Wust-Gymnasium zum Sieger der Gruppe B. Sowohl Patrick als auch Florian sind Schüler der Klasse 6a, der der eine in Wittlich, der andere in Traben-Trarbach. Und noch eine Gemeinsamkeit verbindet sie: Beide lesen gerne im Bett, den Harry Potter kennen sie komplett, und selbst an die Zeitung wagen sie sich hin und wieder. Übung macht eben den Meister.

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