Hat er, oder hat er nicht?

TRABEN-TRARBACH. Viele Jahre fristete der Hammerflügel im Mittelmosel-Museum ein Schattendasein; Ende der 80er Jahre war er zwar in aufwändiger Arbeit restauriert worden, und der damalige Museumswart Werner Ohletz wusste durch Überlieferung, dass Ludwig van Beethoven einst auf diesem Instrument gespielt haben soll.

Wie wertvoll das alte Klavier wirklich ist, kam erst ab 1996 durch intensive Nachforschungen eines Vorstandsmitglieds des Museumsvereins ans Tageslicht. Die in Augsburg geborene Klavierbaumeisterin Nannette Streicher (1769-1833) fertigte einst den Hammerflügel in ihrer Fabrik an der Landstraße in Wien. In welchem Jahr, blieb lange ein Rätsel. Der Tinteneintrag im Klavier war stark verblasst, die Jahreszahl hätte 1811, 1817 oder auch 1822 heißen können. Der österreichische Klavierbaumeister Alexander Langer aus Klagenfurt, Spezialist für Streicher-Instrumente, datierte es anhand von Fotografien seinerzeit auf 1817. "Für 1811 ist der Flügel viel zu modern", stellte er fest. Genauen Aufschluss hätte nur die Produktionszahl im Inneren des Klavieres geben können, doch genau die war nicht mehr auffindbar. Die große Überraschung gab es im Juni 1999, als Langer mit einem Salzburger Kollegen an die Mosel reiste und den Flügel auseinander nahm. Unter dem Dämpfer entdeckte er mit Bleistift die Zahl 908 und jubelte: "Dann ist's ja doch ein Elfer". Den endgültigen Beweis, dass der Flügel 1811 gebaut worden ist, ermittelte der Meister mit dem Maßband. Genau 2,27 Meter misst der Museumsflügel, ab 1817 baute Nannette Streicher ihre Flügel in 2,30 Meter Länge. Als "revolutionär modernes Klavier" bezeichnete der Experte den Traben-Trarbacher Flügel. Etwa 40 Instrumente habe Streicher 1811 gefertigt, sie seien nicht billig gewesen und hätten Weltgeltung gehabt. Insgesamt, so schätzte Langer, gebe es heute weltweit nur noch etwa 40 bis 50 Klaviere von Nannette Streicher. Schon vor weit über 100 Jahren hatten sie Sammlerwert. Ludwig van Beethoven hat sich nie einen Streicher-Flügel gekauft, wenngleich er mit der Klavierbaumeisterin freundschaftlich verbunden und Gast bei Konzerten im Salon der Streichers war. Der ertaubende Meister war stets auf der Suche nach einem geeigneten Instrument für sein schwindendes Gehör. Nicht auszuschließen, dass Nannette ihm 1811 eine Depesche sandte: "Mein lieber, werter Beethoven, wie freue ich mich Ihnen mittheilen zu können, daß in meiner Werkstatt soeben ein wunderschönes Instrument mit der Produktionsnummer 908 entstanden ist. Mehr darüber mündlich, schauen Sie doch herein am Freitag und spielen Sie mir das Lebewohl aus Ihrer Sonate op. 81a auf dem neuen Clavier". So könnte Ihre Nachricht gelautet haben, und vielleicht hat Beethoven tatsächlich das Instrument gespielt. Heute bedarf der Hammerflügel dringend einer Restaurierung, die rund anderthalb Jahre dauern würde. Im Resonanzboden klafft ein Riss, viel Arbeit gibt es an Statik, Technik und Optik. Die Kosten: rund 35 000 Euro.

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