"Hauptsache raus aus Hartz IV!"

MINDERLITTGEN. Petra Jung (Name geändert), Lebensgefährtin eines Arbeitslosen, ist sauer. Sie arbeitet halbtags und hat sich selbst nie Arbeits suchend gemeldet. Doch nun hat die Arbeitsgemeinschaft aus Bundesagentur für Arbeit und Kreis (Arge) sie eingeladen, um mit ihr über ihr Bewerberangebot zu reden.

"Das ist eine Frechheit!", sagt Petra Jung. "Was habe ich mit Hartz IV zu tun?" Über ihren Lebensgefährten ist Jung sozusagen in die Mühlen der Arge geraten. Er ist gelernter Raumausstatter und trotz vieler Bewerbungen arbeitslos. Den 16-seitigen Antrag auf Arbeitslosengeld II hat er wahrheitsgemäß ausgefüllt. Damit gelten er und Petra Jung bei der Arge als Bedarfsgemeinschaft. Jung hat keine Ausbildung, aber einen Halbtagsjob bei Dr. Oetker. Sie hat Angst, dass sie von der Arge, die sie zum Gespräch über ihr angebliches Bewerberangebot eingeladen und ein zweites Gespräch angekündigt hat, zu einem Ganztagsjob gedrängt wird. Jung will auch einen Ganztagsjob — aber eben bei Dr. Oetker. Die Chancen dafür stehen gut, das Unternehmen vergrößert sich, doch das dauert noch ein paar Monate. Bei Dr. Oetker zahlt Jung seit fünf Jahren in die Betriebsrentenkasse ein, nach weiteren fünf hätte sie einen Anspruch auf Rente. Weiter meint Jung: "Selbst wenn ich vor Weihnachten etwas finde, werde ich entlassen, sobald die Arbeit wieder abnimmt. Ich bin 44, den Stress schaffe ich nicht mehr." Was sie noch wütender macht: Vor mehr als einem halben Jahr hatte der TV schon einmal über ihren Fall berichtet. Damals hatte Arge-Geschäftsführer Hans-Georg Simon gesagt: "Frau Jung ist durch den Antrag ihres Freundes lediglich als Rat suchend registriert. Sie ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt und wird von uns, was Arbeit angeht, nicht belästigt." Auch heute versichert Simon: "Wir sagen jetzt nicht, dass Frau Jung sich bewerben muss oder einen 1-Euro-Job machen muss. Wir sind ja froh, dass sie einen Halbtagsjob hat." Auf die Frage, warum Jung dann überhaupt zum Gespräch nach Wittlich kommen soll, antwortet er lediglich: "Sie ist über die Bedarfsgemeinschaft im System erfasst, und der Vermittler lässt das System durchlaufen. Ganz ausschließen können wir solche Einladungen nicht." Auch in anderer Hinsicht kann der Arge-Geschäftsführer Petra Jung keine erfreuliche Auskunft geben. Im ersten TV-Artikel ging es auch darum, dass Jung und ihr Freund sich gegenüber homosexuellen Paaren benachteiligt fühlen. Denn laut Gesetz müssen schwule und lesbische Paare, die zusammenleben, erst füreinander aufkommen, wenn sie in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben. Bei heterosexuellen Paaren genügt, dass sie in einer "eheähnlichen Gemeinschaft" leben (siehe unten stehenden Artikel). Jung und ihr Freund hatten einst Hoffnung geschöpft, dass sich in diesem Punkt etwas ändert, denn das Düsseldorfer Sozialgericht hatte die gesetzliche Regelung als verfassungswidrig bezeichnet. Nur Einkommen, nicht Verpflichtungen abgefragt

Mittlerweile hat das Nordrhein-Westfälische Landessozialgericht diesen Urteilsspruch aber kassiert, das Gesetz sei verfassungskonform, hieß es. Arge-Geschäftsführer Simon wundert sich zwar über diese Entscheidung doch konstatiert er: "Das Düsseldorfer Urteil war eine Einzelmeinung." Petra Jung hofft derweil weiter auf einen Vollzeitjob bei Dr. Oetker. Dass ihr Freund dann überhaupt kein Arbeitslosengeld mehr bekäme, ist ihr gerade recht. Die Minderlittgerin fühlt sich von der Arge ausgehorcht. Die Fragerei zu Mietkosten, Nebenkosten und auch ihrem Einkommen empfindet sie als Eingriff in die Privatsphäre, der noch dazu alle drei Monate wiederholt wird. Außerdem kritisiert sie, dass bei ihr nur gefragt werde, was reinkommt, nicht, was an privaten Verpflichtungen existiere, wie beispielsweise Schulden aus einer Ehe. Von daher will Jung nur eins: "Hauptsache raus aus Hartz IV!"Was brennt Ihnen auf den Nägeln? Schildern Sie uns Ihr Problem auf einer Din-A-4-Seite und schicken Sie es an: Trierischer Volksfreund, Stichwort: "TV bringt's voran”, Hanns-Martin-Schleyer-Straße 8, 54294 Trier, oder als E-Mail an: thema@volksfreund.de.

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