Hecke, Stoppschild und ein langer Rechtsstreit

BERNKASTEL-KUES. Zwei Befangenheitsanträge gegen einen Richter, eine Strafanzeige gegen einen Polizeibeamten, ein richterlich beauftragter Gutachter: Ein Autofahrer wehrt sich gegen einen - wie er findet - zu unrecht ausgestellten Bußgeldbescheid.

 Ist - trotz Schild und Hecke - von dem Standstreifen aus zu sehen, ob ein Fahrzeug an der Haltelinie anhält oder nicht? Diese Frage beschäftigt derzeit das Amtsgericht Bernkastel-Kues. Der Vorfall ereignete sich allerdings im Januar, als die Hecke kahl war.Foto: Ursula Schmieder

Ist - trotz Schild und Hecke - von dem Standstreifen aus zu sehen, ob ein Fahrzeug an der Haltelinie anhält oder nicht? Diese Frage beschäftigt derzeit das Amtsgericht Bernkastel-Kues. Der Vorfall ereignete sich allerdings im Januar, als die Hecke kahl war.Foto: Ursula Schmieder

"Das ist die absolute Ausnahme", sagt der Direktor des Amtsgerichts Bernkastel-Kues, Gunther Nelles zum Fall "Stoppschild", für den demnächst der vierte Gerichtstermin ansteht. Zwei Befangenheitsanträge gegen einen Richter, eine Strafanzeige gegen einen Polizeibeamten und ein richterlich beauftragter Gutachter sind bei diesem Verfahren schon angestrengt worden. Bei dem Delikt handelt es sich nicht etwa um ein Strafverfahren, sondern um einen Bußgeldbescheid, der - abgesehen von Gebühren und Auslagen - sich auf 30 Euro beläuft. Eine Geldbuße, für die es keine Punkte in Flensburg gibt, da sie unter 40 Euro liegt.Befangenheitsanträge wurden abgelehnt

Dass der Bescheid im Januar 2002 ausgestellt wurde, ist eine weitere Besonderheit. Normalerweise sind solche Bußgeldverfahren in sechs Wochen erledigt. Alltäglich ist dagegen der Tatbestand, der sich beim Abbiegen von der Mülheimer Brücke in Richtung Andel zutrug. Autofahrer Heinrich T. (Name von der Redaktion geändert) wird vorgeworfen, beim Abbiegen das Stoppschild überfahren zu haben - und das auch noch ohne angelegten Sicherheitsgurt. Zeugen sind zwei Beamte der Polizeiinspektion Bernkastel-Kues. Sie hatten den Fahrer nach dem Auffahren auf die Bundesstraße 53 an einem Seitenstreifen herangewunken. Und dort startete der Fall seinen langwierigen Verlauf. Heinrich T. bestreitet, das Stoppschild überfahren zu haben. Er hätte etwa einen Meter vor der Haltelinie sein Fahrzeug kurz angehalten, so ein Schreiben seines Rechtsanwaltes. Außerdem hätte er den Gurt erst "beim Ausrollen des Fahrzeugs" gelöst. "Ich bin von einer Verkehrskontrolle ausgegangen und habe dazu meine Papiere aus der Gesäßtasche nehmen wollen", sagt T. im TV -Gespräch. Außerdem bezweifelt er, dass die Beamten das von ihrem Standort aus überhaupt sehen konnten. Die Sicht sei durch ein Schild sowie eine "bewachsene Strauchhecke" stark eingeschränkt", so der Rechtsanwalt weiter. Für T. steht fest, dass der von ihm wegen uneidlicher Aussage beschuldigte Polizist und auch sein Kollege nicht erkennen konnten, ob er am Stoppschild gehalten habe oder nicht. Das hat T. in einem Schreiben an die Koblenzer Generalstaatsanwaltschaft formuliert. Nachdem die beiden Befangenheitsanträge vom Amtsgericht Bernkastel-Kues und Landgericht Trier sowie die Strafanzeige von der Staatsanwaltschaft Trier abgelehnt beziehungsweise eingestellt wurden, hat der Richter einen Gutachter bestellt. Beim Ortstermin gab es ein weiteres Problem. Besagte Hecke war nur wenige Tage zuvor zurückgeschnitten worden. Nach Ansicht von T. ist das kein Zufall. Nach Aussage der in Mülheim ansässigen Straßenmeisterei Bernkastel jedoch ein aus Gründen der Verkehrssicherheit notwendiger Eingriff. Zwar würden Hecken üblicherweise im Herbst oder im Winter beschnitten, so Leiter Walter Klink. Doch hier sei Dringlichkeit erkannt worden. Dass ein so geringes Bußgeld einen derartigen juristischen Aufwand nach sich ziehen kann, erscheint dem Laien nur schwer nachvollziehbar. Die Allgemeinheit trägt die Kosten, wenn T. freigesprochen wird. Und sollte das Verfahren eingestellt werden, muss er lediglich seine eigenen Kosten übernehmen. Selbst wenn er verurteilt wird, ist er durch seinen Rechtsschutz abgesichert. Die Kosten erhöhen sich zwar nicht durch mehrere Termine, aber durch Gutachten. Die Entscheidung über Letzteres falle in die "richterliche Unabhängigkeit", so Nelles. Der Sachverständige vermittele Fachwissen zur Beurteilung strittiger Fälle. "Ein Beschuldigter kann ein Straf- oder Bußgeldverfahren verzögern, bei Ordnungswidrigkeiten ist das die Ausnahme", betont der Direktor.

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