Heimat in der Fremde

BAD BERTRICH. Nachdem die Schweizer Fußball-Nationalmannschaft offiziell verkündet hat, dass sie während der WM 2006 in Bad Bertrich wohnen wird (der TV berichtete), stehen in den Hotels und Pensionen die Telefone nicht mehr still. Der Kurort wird in dieser Zeit von Journalisten und Fußball-Fans aus dem Alpenland bevölkert sein.

Leckere Schokolade, Alpen-Panorama, teure Uhren, Neutralität, Wilhelm Tell und der Rütli-Schwur. Das ist das Ergebnis eines spontanen Brainstormings in der TV-Redaktion zum Thema Schweiz. Fußball? Fehlanzeige! Kurbetriebe, Glaubersalztherme, Vulkaneifel, die Üß und Idylle. Das ergab das Brainstorming zum Thema Bad Bertrich (Kreis Cochem-Zell). Fußball? Ebenfalls Fehlanzeige! Noch. Doch das wird sich bald ändern. Die Schweizer Nationalmannschaft wird während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Bad Bertrichs bestem Hotel, dem "Fürstenhof", wohnen. Der 1000 Einwohner zählende Kurort ist dabei, sich zu einer kleinen Fußball-Oase zu entwickeln. Schließlich heißt Bad Bertrichs Bürgermeister seit 2004 Günter Eichberg. Und der war jahrelang Präsident vom FC Schalke 04. Der Fußball-Fachmann wirkte als eine der treibenden Kräfte, als sich Häckers Kurhotel Fürstenhof in Bad Bertrich bei der Fifa als WM-Quartier bewarb. Um die beste Leistung zu bringen, muss das Umfeld stimmen. Daher haben die Delegationen von sechs Fußball-Nationalmannschaften - darunter Frankreich, Portugal, Australien, Paraguay und die Ukraine - im "Fürstenhof" probegewohnt. "Die Schweizer waren von Anfang an unser Lieblingskandidat. Da hat die Chemie einfach gestimmt", erzählt Walter Häcker, Inhaber des Luxushotels. Doch als die Delegation aus dem Land der Eidgenossen im Sommer in Bad Bertrich zu Besuch war, steckte die Schweizer Nationalmannschaft noch mitten in der WM-Qualifikation. Und die war bekanntlich sehr spannend. Erst in dem Skandal-Relegationsspiel gegen die Türkei konnten sie ihr WM-Ticket lösen. Bad Bertrich bietet den Schweizer Fußballern genau das, was sie brauchen: Ruhe vom WM-Rummel, beste Trainingsbedingungen im neuen Üßbach-Stadion und luxuriöse Rundumverpflegung im Hotel "Fürstenhof". "Der Schweizer Mentalität kommt die Abgeschiedenheit Bad Bertrichs entgegen. Sie fühlen sich hier zu Hause, und dieses Heimat-Gefühl wollen wir ihnen auch während ihres Aufenthalts geben", verspricht der Hotelier. Beim Service muss sich das Fünf-Sterne-Hotel für die Schweizer Profis nicht umstellen. "Wir bieten allen Gästen das Beste, und genau das bekommen auch die Schweizer", sagt Häcker. Auf andere Gäste werden die Fußballer während ihres Aufenthalts im "Fürstenhof" nicht stoßen. Auch wenn noch nicht feststeht, wie groß der Schweizer Tross sein wird, haben die Kicker bereits das komplette Hotel mitsamt 70 Zimmern und exklusivem Wellnessbereich gebucht. Exklusive Gäste haben oft ausgefallene Wünsche. Als der Schweizer Trainer Köbi Kuhn Hotel-Chef Häcker behutsam darauf vorbereiten wollte, dass das Team seinen eigenen Koch und Ökotrophologen (Ernährungswissenschaftler) mitbringen wird, entgegnete Häcker ganz gelassen: "Kein Problem! Da können eure Leute dann auch noch was von meinen lernen." Eine kleine Änderung zum sonstigen Service wird es dennoch geben: "Wir werden alle Beete mit rot-weißen Blumen pflanzen", sagt die Dame des Hauses, Renate Häcker. Ein kleines Stück Schweiz an der Üß. Während der Fußball-WM werden die Alpenländler keineswegs als Exoten in Bad Bertrich auffallen. Der komplette Ort wird in Schweizer Hand sein. "Kurz nachdem die Mannschaft offiziell verkündet hat, dass sie sich für Bad Bertrich entschieden hat, hat das Schweizer Fernsehen 50 Zimmer für das Filmteam reserviert", berichtet Bürgermeister Eichberg. In anderen Hotels und Pensionen sieht es ähnlich aus. Neben der Medien-Karawane wollen auch viele Fans ganz nah bei ihren Fans wohnen. "Das wird große Auswirkungen auf die Zukunft von Bad Bertrich und die gesamte Region haben", sagt Eichberg und blickt in eine rosige Zukunft. Und was passiert, wenn die Schweiz ausgerechnet gegen Gastgeber Deutschland antreten muss? "Dann wird natürlich der gewinnen, der in Bad Bertrich wohnt", sagt Häcker mit einem verschmitzten Lächeln.

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