Hermann Hesse lebt in Klausen

KLAUSEN. Hermann Hesse ist nicht mit Hermann Hesse verwandt. Doch eine gewissene Beziehung verbindet den Klausener mit dem Schriftsteller doch.

Die Brille, die haben sie gemeinsam, der Herrmann Hesse aus Klausen und der gleichnamige Schriftsteller. Doch dann erschöpfen sich auch schon die äußerlichen Ähnlichkeiten. Der Klausener ist eher der gemütliche Typ mit den rundlichen Formen, der Schriftsteller war einer von der asketischen Sorte. Dennoch wird der Klausener immer mal wieder gefragt: "Sind Sie verwandt mit dem Schriftsteller?" Selbst aus Amerika hat ihn schon eine Mail mit dieser Frage erreicht. Doch der Klausener verneint: "Verwandt sind wir nicht." Was aber nicht heißt, dass der Klausener so gar keine Beziehung zu seinem Namensvetter hat. "Den ‚Steppenwolf‘ habe ich in meiner Jugendzeit gelesen. Der hat mich angesprochen. Daraufhin habe ich auch andere Bücher von Hesse gelesen." Doch war es nicht die Namensgleichheit, die den Bautechniker dazu brachte, sich die Werke des Nobelpreisträgers zu Gemüte zu führen. Auslöser war die Band "Steppenwolf". "Der Song ‚Born to be wild‘ von denen hat mir gut gefallen und darüber kam man dann zwangsläufig zu Hesse. Der wurde damals auch in meinem Bekanntenkreis gelesen." Zentrale Figur des "Steppenwolfs" ist Harry Haller, ein vereinsamter Mann, der in völliger Entfremdung von seiner kleinbürgerlichen Umwelt lebt. Die amerikanische Jugendbewegung der sechziger Jahre fand im "Steppenwolf" Identifikationsmuster für ihren Protest gegen das Establishment, heißt es in Kindlers Literaturlexikon. Hermann Hesse aus Klausen war, als er den "Steppenwolf" 1968 las, 20 Jahre alt. "Born to be wild" hieß für ihn frei sein, wild leben, Musik hören, aber auch machen. Von der Rockband, in der er damals spielte, will er aber lieber nicht reden. "Sonst schämen sich die Kinder", meint er. Doch die "wilde" Phase hielt nicht lange an. Relativ früh, mit 24 Jahren, hat er geheiratet. "Da haben sich die Träume dann von ganz allein reduziert." Denn er und seine Frau, die er durch die Musik kennen gelernt hatte, hatten klare Vorstellungen: Sie wollten Kinder und ein Haus bauen. Das Haus ist mittlerweile gebaut und zwei der drei Kinder schon erwachsen. Und mit den Jahren hat sich auch das Verhältnis von Hesse zu Hesse verändert. "Ich habe noch ein par Mal versucht, den ‚Steppenwolf‘ zu lesen, aber ich finde keinen Zugang mehr dazu", sagt er. Hesse sei eher etwas für Menschen, die Orientierung suchten so wie Jugendliche, die noch romantische Träume hätten. Mit Hesses Buch "Unterm Rad", in dem es um Leistungsdruck geht, könne er allerdings immer noch etwas anfangen. Generell zieht es den Klausener, der sich als prosaischen Typen bezeichnet, heute eher zu Sachbüchern. Ganz ohne Träume ist er dennoch nicht. Amerika heißt sein Traumland, und Hesse zeigt auf einen Bildband mit beeindruckenden Landschaftsbildern. Doch der Traum hat Risse bekommen, spätestens seit dem 11. September vor drei Jahren. Und wieder lässt Hesse Bücher sprechen und verweist auf "Stupid White Man". In diesem Buch kritisiert Michael Moore die US-Kriegspolitik gegenüber dem Irak. Ein Hesse ohne Bücher, das geht anscheinend nicht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort