Herzlichkeit an der Front

BITBURG. Der heute bei Hilter im Teutoburger Wald lebende August Hamann war als Soldat im Kriegsjahr 1944 im Bitburger Land. Für seine Kinder schrieb er seine Erinnerungen an diese Zeit auf. Der TV veröffentlicht in loser Folge Auszüge aus dem nachträglich entstandenen Tagebuch Hamanns.

Am Abend des 10. September 1944 kamen wir in Masholder, einem kleinen Ort in der Nähe von Bitburg, an. Wir hatten den "Frankreichrückzug" wohlbehalten überstanden. In Masholder bekamen wir bei einem Bauern in der Scheune Quartier. Für gutes Essen und ruhigen Schlaf durften wir Ernte- und Arbeitshilfe leisten. Ich spaltete Holz, was seit meiner Kindheit eine meiner Lieblingsbeschäftigungen war. Wenn wir nicht vier Tage später zur Infanterie-Sicherung für eine Flak-Abteilung der Luftwaffe, die in Bitburg stationiert war, abkommandiert worden wären, hätten wir vergessen können, dass Krieg war. So kamen wir nach Stahl, einem kleinen Dorf westlich von Bitburg, und mussten Deckungslöcher ausgraben, und im Fall des zu erwartenden Angriffs der Amerikaner Bitburg verteidigen. In den nächsten zwei Tagen wurde der geplante Vorstoß der Amerikaner durch massives Feuer der 8,8-Zentimeter-Geschütze, die um Bitburg stationiert waren, vereitelt. Mit Hilfe eines vorgeschobenen Beobachters wurde ein großer Teil der bereitstehenden feindlichen Einheiten vernichtet, so dass wir bei einsetzendem Regen in einer Scheune Quartier beziehen konnten und nur noch für Wachen und Spähtrupps eingesetzt wurden. Abends wurde ich bei einer netten Familie mit Bratkartoffeln und Spiegeleiern verwöhnt. Dazu gab es richtiges Bier! Der Herr des Hauses war in der Bitburger Simon-Brauerei beschäftigt. Auch sonst war es ruhiger geworden, wenn man von gelegentlichem Artillerie-Störfeuer und Jagdbomber-Angriffen absieht. Am 25. September wurden wir zur Neuaufstellung per LKW über Bitburg, Wittlich und Cochem an der Mosel flussaufwärts nach Lonnig transportiert. Lonnig ist ein kleiner Ort in der Voreifel im Kreis Mayen-Koblenz. Wir waren die erste Kriegs-Einquartierung und wurden besonders herzlich aufgenommen. Wir bekamen zu zweit ein Privatquartier bei Bauer Gräf, der selbst als Soldat an der Ostfront war. Außer der Bäuerin und zwei kleinen Kindern waren noch zwei ältere Schwestern des Bauern im Haus. Unsere Hauptbeschäftigung in den nächsten Wochen war es, beim Einbringen der Kartoffel und der Rübenernte zu helfen. Dafür wurden wir mit ausgezeichnetem Essen versorgt, hauptsächlich Kartoffelspeisen, mit Liebe zubereitet von der "Lies". Unsere militärische Aufgabe bestand darin, auf neue Geschütze zu warten und ein bisschen Dienst zu "kloppen". Als ich am 5. Oktober in Kobern beim Zahnarzt war, ereignete sich im Dorfsaal ein tragischer Unfall bei der Instruktion über die Panzerfaust. Es gab einen Toten und drei Verletzte, von denen einer, Hans Blaschek, drei Tage später starb. Die beiden Toten wurden in Lonnig beerdigt. Der Anblick der tief erschütterten Angehörigen - ich werde ihn nie vergessen - und der Verlust eines lieben Kameraden waren die prägenden Eindrücke dieses traurigen Herbsttages. scho/bl

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