Hinter Stacheldraht

Nun kam das erste Weihnachtsfest hinter Stacheldraht, ein komisches Gefühl. Da lag man - 18-jährig - im nassen kalten Zelt im Dreck, auf faulem Kartoffelstroh und Unkraut, vielleicht wie das Christkind in Bethlehem.

Und dann noch Krieg drumherum. Es war die Zeit der Ardennenoffensive, überall Hektik und Panik bei den Amerikanern. Am Heiligabend wollten wir im Lager einige Weihnachtslieder singen. Die Posten trieben uns aber auseinander. Es durfte und sollte nicht sein. Wir mussten uns in unsere Zelte verkriechen. Draußen in der Dunkelheit durfte sich niemand blicken lassen. Allein schon der Gang zur Latrine war lebensgefährlich, durch die angespannte Lage hätte leicht geschossen werden können. Das war eine unvergessene Heilige Nacht… Am ersten Weihnachtstag war Gott sei Dank auf der Rampe arbeitsfrei. Wir Landser freuten uns über diesen ersten freien Tag, der war so dringend nötig… Aber daraus wurde nichts, es kam der Befehl, alle PoWs (Prisoners of War = Kriegsgefangene, Anm. d. Red.) hätten anzutreten zum Steineschleppen. Vor dem Lager befanden sich dicke Kalksteine. Die mussten wir zwecks Befestigung der Lagerstraße hineintragen. Obwohl das eine wichtige Angelegenheit war, hatte niemand von uns Verständnis dafür, dass uns Weihnachten vermasselt wurde. Zwischenzeitlich bekamen wir im Lager eine eigene Küche. Hier wurde jedem von uns ein kleiner Christstollen gebacken. Also doch noch: "Fröhliche Weihnachten".ZUR PERSON: Heinz Ames erlebte die Kriegsgefangenschaft in einem amerikanischen Gefangenenlager in Dugny bei Verdun. Heute lebt er in Kinheim an der Mosel. Seinem Text für den TV liegen Notizen aus dem Tagebuch zu Grunde, das er damals geführt hatte.

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