Hohe Tiere im herbstlichen Kondelwald

BERNKASTEL-WITTLICH. Wichtiger Beitrag zum Umweltschutz, Vergnügen oder Gelegenheit, Kontakte aufzuwärmen: Heute wird der Kondelwald zum Jagdrevier allerlei hoher Herrschaften.

Er greift wohl lieber zur Gabel als zum Gewehr, aber Ministerpräsident Kurt Beck, wird nicht zum fröhlichen Schüsseltreiben nach der Jagd erscheinen. Immerhin hatte der Landeschef vor einem Jahr eine "Giftliste" des Kabinetts erhalten, laut der auch die Staatsjagden dem Rotstift erliegen sollten. So hieß es denn auf TV -Nachfrage in Mainz: "Herr Beck nimmt weder an Jagd noch am Schüsseltreiben teil." Auch schlage die Veranstaltung nicht im Landeshaushalt zu Buche, eingeladen hätte der Präsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd (SGD Süd) mit Sitz in Neustadt, Dr. Klaus Weichel. Bei der SGD Süd hat die obere Forstbehörde, genannt "Zentralstelle der Forstverwaltung", kurz ZdF, ihren Platz. Und von dort wurden rund 60 Gäste in den Kondelwald geladen. Der gehört zum Forstamt Wittlich, eines von 88 Ämtern im Land, umfasst 2100 Hektar Staatswald im Kondel und lockt mit landschaftlich sehr schöner, relativ einsamer Lage, jetzt farbenprächtigem Laubwald und vielen Wildarten vom Schwarz- bis zum Muffelwild. Dass dort nach allen Regeln der Kunst in einer "Drückjagd" mit Einsatz von Hunden im größeren Stil das Waidmannswerk ausgeübt wird, ist im Sinne des Forstamtes Wittlich. Oberforstrat Horst Womelsdorf erklärt: "Wir müssen in Hinsicht auf die Wildschweinepest unsere Abschusszahlen erreichen. Diese Jagd ist dabei ganz klar eine Hilfe. Auch um die Ziele des naturnahen Waldbaus zu erfüllen, müssen die Schalenwildarten konsequent bejagd werden." Das gelte für den Kondelwald umso mehr, als dort vier Schalenwildarten ihre Fährten ziehen: Rot-, Schwarz-, Muffel- und Rehwild und von Zeit zu Zeit sogar ausgebrochenes Dammwild. Für das Forstamt Wittlich ist die Veranstaltung kostenneutral: "Wir sind zwar mit etwa zehn Mann eingebunden, haben aber Einnahmen aus dem Verkauf des Wildbrets und der Freigabe der Trophäenträger etwa der Hirsche und Muffelwidder." Die Jagd wird sich nicht auf den gesamten Staatswaldkomplex ausdehnen: "Das wird auf etwa 300 Hektar stattfinden." - Und hoffentlich, werden einige Säue zur Strecke gebracht: "Die Reduzierung des Schwarzwildbestandes hat weiterhin oberste Priorität zur Bekämpfung der Wildschweinepest. Daher ist die Treibjagd der SGD Süd zu begrüßen", sagt Alfons Kuhnen von der Kreisverwaltung.Konzentrierte Aktion statt vieler Einzeljagden

Profitieren wird auch die heimische Wirtschaft. Das Schüsseltreiben wird in Bausendorf sein, zahlreiche Gäste werden übernachten. Außerdem gilt eine solche Jagd als repräsentative gesellschaftliche Angelegenheit, bei der auch über Geschäfte außerhalb des tagtäglichen Arbeitslebens gesprochen wird. Das Land ließ sich diese Frischlufttreffen wichtiger Entscheidungsträger mit Jagdschein, früher rund 5000 Euro kosten. Vor einem Jahr konnte man sich übrigens nicht durchringen, den Staatsjagden generell das Halali zu blasen und sie komplett zur Strecke zu bringen. Damals hieß der Vorschlag, sie im Zweijahres-Rhythmus zu zelebrieren. Die Kostenfrage kennt auch die SGD Süd. Pressesprecherin Beate Kimmel erklärt: "Auch wir haben uns überlegt, eventuell auf die jährliche Jagd des Präsidenten zu verzichten." Die Lösung: Die Gäste - einer reist etwa aus München an - tragen Reisekosten und Verpflegung selbst. Und auch der Präsident, Klaus Weichel, der übrigens selbst kein Jäger ist, wird beim Zuschauen in selbst geschmierte Stullen beißen. Beate Kimmel betont: "Es ist ja nicht nur ein Termin zur Kontaktpflege. Vorrangig aus wildbiologischer Sicht ist, in konzentrierter Form und nicht in vielen Einzeljagden die Abschusszahlen zu erfüllen." Eingeladen wurden Geschäftspartner, Vertreter der Wirtschaft, Politiker und sonstige Funktionsträger. Damit keiner seine "angestaubte Flinte" ausprobiert, wurden die Teilnehmer gebeten, am Schießstand zu überprüfen, ob sie auch noch waidgerecht schießen können. Abschusszahlen Schwarzwild: April 2002 bis Oktober 2002 Kreis: 2742, Kondelwald: 187. April 2003 bis Oktober 2003 Kreis: 2530, Kondelwald: 164 Zum Gebiet Kondelwald gehören die Reviere Hontheim, zwei Staatsforstreviere Linnig und Kondel, sowie das Waldgut Kondel (Eigenjagdbezirk Thies). Bei den Abschusszahlen 2003 ist zu beachten, dass erst 82 von 227 Meldungen bei der unteren Jagd- behörde eingegangen sind (Abgabe bis zum 15. November) und trotzdem schon fast die gleiche Strecke wie 2002 erzielt wurde.

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