"Ich bin Opfer, nicht Täter"

Bernkastel-Kues/Traben-Trarbach · Schlimme Zustände herrschten in einem Haus in Traben-Trarbach. Die Streitereien eskalierten. Doch die Frau, die nach Auffassung des Amtsgerichts Bernkastel-Kues ein Feuer legte, wird nicht zur Rechenschaft gezogen. Sie leidet unter einer wahnhaften Störung.

Fünf Verhandlungstage vor den Schranken der Justiz sind besonders an Amtsgerichten die Ausnahme. Meist wird dort ein Urteil innerhalb von ein, zwei Stunden verkündet. Bei dem Fall über den Richter Oliver Emmer und seine beiden Schöffen Recht sprechen sollten, ist auch kaum Schaden entstanden, weil der Betroffene schnell reagierte. Doch es geht bei dem Vorwurf der Brandstiftung in einem Haus in Traben-Trarbach in erster Linie darum, ob die Angeklagte schuldfähig ist. Und es geht darum, ob sie eine Gefahr für die Menschen in ihrer Umgebung ist. Da dies offenbar keine leichte Frage ist, wird der Fall sehr genau untersucht.

Für Richter, Schöffen und Staatsanwaltschaft steht fest: Die 72 Jahre alte Frau hat im Mai 2013 vor der Tür des über ihr wohnenden Mieters Papier angezündet und ihm auch gedroht "die ganze Bude abzufackeln." Trotzdem erfolgt ein Freispruch, den auch Staatsanwältin Anne Wildfang und Verteidiger Andreas Bogner in ihren Plädoyers beantragt hatten.

Alle berufen sich auf das Gutachten von Uwe Bales-Mann, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er hat die Angeklagte begutachtet und sie auch während des gesamten Prozesses beobachtet. Seine Einschätzung: Es liegt sehr wahrscheinlich eine wahnhafte Störung vor. Teilweise verliere die Frau den Bezug zur Realität. Ihre Fähigkeit etwas einzusehen sei genauso gestört wie ihr Vermögen, ihre Handlungen zu steuern. Sie rede viel mit sich selbst und komme dabei regelmäßig in "außerordentliche Erregungszustände." Das alles sei viel mehr als nur eine Störung der Persönlichkeit.

Teilweise führe dies zu skurrilen Situationen. Die Frau sagt zum Beispiel aus, ihr über ihr wohnender Nachbar habe regelmäßig nachts stundenlang auf derselben Stelle auf den Boden getreten, um sie am Schlafen zu hindern. Das kann sich außer ihr niemand im Saal vorstellen. "Keiner tritt zwei bis drei Stunden auf derselben Stelle", sagt der Richter.

Eine Gefahr für die Allgemeinheit sieht Uwe Bales-Mann in der Frau aber nicht. "Wir müssen Ihnen helfen und Sie nicht bestrafen", sagt auch Richter Emmer. Dafür sei es wichtig, dass sie die Wohnung verlässt. Die Chancen stehen offenbar gut.

"Ich bin Opfer und nicht Täter. Ich bin nicht psychisch krank", sagt die Angeklagte. "Die Mitbewohner haben mich kaputtgemacht." Gesittet ist es in dem Haus offenbar wirklich nicht zugegangenen. Da flogen Müll, Gläser und andere Utensilien. Ein Wechsel des Umfelds, so die Hoffnung, könne vielleicht zum Guten führen. Trotzdem will sich Richter Emmer um eine Betreuung der Frau bemühen, die auf den Rollator angewiesen ist und auch finanzielle Probleme hat.

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