Ich muss mal

Kennen Sie das auch? Sie wachen morgens auf und denken erst einmal verzweifelt darüber nach, welcher Wochentag heute ist? Und dann folgt in 99 Prozent solcher Fälle die erschlagende Erkenntnis: Ich muss aufstehen, es ist ein ganz normaler Wochentag, und ich muss zur Arbeit.

Schon ist die gute Laune und eine Menge Energie dahin. Während wir bei den Dingen, die wir dürfen, doch vor Freude und Tatenkraft nur so strotzen. Sagen Sie doch mal abends ihren Kindern: "Ihr dürft länger aufbleiben" - das weckt garantiert ungeahnte Energiereserven, wobei der Satz: "Heute musst du munter bleiben, wir werden heute Abend noch Mathe üben", wahrscheinlich eine ganz plötzliche Müdigkeitsattacke auslösen wird. Das Wort müssen könnte daher getrost aus unserem Wortschatz gestrichen werden. Wie viel einfacher wäre unser Leben, wenn wir uns sagen könnten: "Ich darf morgens aufstehen, zur Arbeit gehen, ich darf in die Schule gehen, darf einen Haushalt versorgen und eine Familie. Stellen Sie sich doch mal vor, wie es wäre, nicht müssen zu dürfen: keine Arbeit zu haben, keine Familie zu versorgen, keine Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Eigentlich wäre das gar kein Leben. Wir kämen uns überflüssig vor und wertlos. Aber wie oft vergessen wir das im Alltagsstress. Dabei ist es nur ein einziges Wort, das immer wieder bei uns zu kurz kommt: das Wort Dankbarkeit! Irgendwie ist es aus der Mode gekommen, warum eigentlich? Sind unsere Gesundheit, unser Partner, unsere Partnerin, unsere Familien, unsere Arbeitsstelle alles Selbstverständlichkeiten? Nein, und wir merken das meistens erst dann, wenn uns etwas verloren geht. Dann sind wir schnell dabei, uns zu beschweren. Wir dürfen müssen. Vielleicht müssen wir manchmal genauer hingucken, wie viel Gutes uns geschenkt wird. Susanne Triebler Pfarrerin in Wittlich

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