Im Keller gefangen

Um die Mittagszeit geht es los: Die ersten Angriffe über Wittlich kommen. Die Männer sind ja ohnehin noch im Krieg. Die Frauen müssen noch eine Weile länger oben in den Häusern bleiben. Nur wir Kindern flüchten direkt runter in die Keller. Doch Ruhe ist da unten keine, wir bekommen die Einschläge richtig mit. Einmal macht es mächtig rumms - unser Haus hat es erwischt. Unser Treppenhaus kracht ein. Wir liegen auf dem Boden wegen des großen Sogs, haben einen fürchterlichen Pulvergeschmack im Hals und große Angst.Jetzt müssen wir so schnell wie möglich raus auf die Straße. Ein älterer Mann, der mit uns im Keller ist, beruhigt uns. Aus dem hinteren Keller-Ausgang gelangen wir nicht mehr raus, aber vorne haben wir ein paar Luken erspäht - vielleicht gelingt es uns ja, durch die nach außen zu krabbeln. Doch wir haben Pech: Die sind zu eng, da kommen wir nicht raus. Mehr als eine Stunde lang warten wir im Keller. Es dauert ewig, bis sich draußen etwas tut. Endlich fangen sie an, das Loch zu vergrößern, und endlich können wir den Keller verlassen. Alle, bis auf eine ältere Frau, die zu dick ist für den Ausgang. Da muss das Loch noch einmal vergrößert werden, ehe wirklich alle draußen sind.Doch das Bild, das sich draußen bietet, ist genauso schrecklich wie das in dem kleinen, stickigen Keller: Die ganze Straße brennt, ringsherum viele Tote und verstümmelte Leichen. Ein jämmerliches Bild. Ziellos irren alle Menschen hin und her, unter den Leuten herrscht eine große Panik.Am ersten Weihnachtsfeiertag wird endlich eine Stelle eröffnet, wo sich die Leute melden können, die ihr Haus verloren haben. Und diejenigen, deren Haus noch steht, müssen andere bei sich unterbringen. Bekannte nehmen uns mit sich nach Hause. Endlich gibt es wieder etwas zu essen.Doch die Tortur ist noch nicht zu Ende. Wir machen uns auf den Weg zu den Großeltern nach Mehring. Um sechs Uhr morgens geht es los, und erst abends um 22 Uhr kommen wir dort an, weil wir nicht den direkten Weg marschieren können, sondern große Umwege machen müssen. Über Morbach wandern wir, und ständig müssen wir Stopps einlegen und uns in Waldhütten verstecken, weil schon wieder die Flugzeuge über uns kreisen.In Mehring gibt es auch noch Angriffe, aber das Wohnhaus meiner Großeltern bleibt Gott sei Dank stehen. Doch so manche Scheune wird erwischt. Deshalb fliegt uns draußen im wahrsten Sinn des Wortes das Vieh um die Ohren. Als ich irgendwann abends raus gehe, um die Tiere zu füttern, sind die Schweine weggesprengt und liegen, in alle Körperteile zerteilt, auf den anliegenden Dächern. ZUR PERSON:Herbert Daufenbach ist am 10. August 1938 in Wittlich geboren. Später arbeitete er bei der AOK.

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