Im Mehltau zu Berge

Bernkastel-Wittlich. Zu Lande und aus der Luft - wenn Winzer ihre Hanglagen schützen wollen, muss meist der Hubschrauber ran. Bei einigen Anwohnern lösen die rotierenden Schädlingsbekämpfer Unbehagen aus. Zu Unrecht, sagen Gesundheitsamt und Rebschützer.

 Vielen Moselanern im Sommer ein vertrautes Bild: Spritzhelikopter über den Weinbergen.Foto: Katja Krämer

Vielen Moselanern im Sommer ein vertrautes Bild: Spritzhelikopter über den Weinbergen.Foto: Katja Krämer

Morgens früh um sechs über den Weinbergen: In die ersten Sonnenstrahlen hinein blitzt der Schatten von Rotoren. Ein Hubschrauber fliegt am Hang entlang, verspritzt ein flüssiges Gemisch, das sich auf Blätter und Triebe tausender Rebstöcke legt. Unerwünschte Nebenwirkung für Piloten und Winzer: Die fliegenden Schädlingsbekämpfer lösen bei einigen Anwohnern Unbehagen aus.Dabei sind die Zeiten passé, in denen rebschützende Hubschrauber hochgiftige Cocktails versprühten. Seit Anfang der 80er Jahre werden weder Insektizide noch Milbenmittel eingesetzt. Das lange Zeit diskutierte E 605 ist vom Markt, und auch ME 605 darf schon bald nicht mehr eingesetzt werden. Ab dem 10. September besteht ein absolutes Anwendungsverbot für das Spritzpulver, berichtet Henning Mader von der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt in Trier. Bekämpft werden die Schädlinge im Weinberg dennoch: Vor allem gegen echten (Oidium) und falschen Mehltau (Peronospora) gehen Schädlingsbekämpfer präventiv an. Ein starker Befall der Rebstöcke mit den Pilzerkrankungen könnte ansonsten zu Ertragseinbußen führen."Wir setzen heute ausschließlich organische Fungizide ein", versichert Klaus Piedmont, Leiter der Qualitätswein-Prüfstelle bei der Landwirtschaftskammer. Zudem müssten die Hubschrauber einen Abstand von 50 Metern zum "befriedeten Bezirk", sprich zum nächstgelegenen Privatgrundstück, einhalten. Nach Ansicht von Gesundheitsamtschef Harald Michels eine ausreichende Distanz. Gefahr bestehe allenfalls, wenn Personen in unmittelbaren Kontakt mit den versprühten Mitteln kämen. Das jedoch könne bei 50 Metern praktisch ausgeschlossen werden. Mader verweist außerdem auf die strengen Kontrollen, die nur beim Helikoptereinsatz möglich seien: "Jedes Mittel, das vom Hubschrauber eingesetzt wird, muss von uns genehmigt werden."Hans-Bernd Pütz von der Weinbauschule Bernkastel-Kues sieht ebenfalls keinerlei Gefährdung für die Anwohner. Die Bespritzung, die von Ende Mai bis Ende Juli dauert und an vielen Orten bereits eingestellt sei, sei ganz normal verlaufen. Rebschützer Mader sieht auch keine außergewöhnlichen Probleme durch Mehltaubefall. Statt dessen sei - für hiesige Gefilde eher untypisch - die Schwarzfäule aufgetreten. "Normalerweise kennen wir das eher aus südlichen Gegenden", so Mader. Anlass zu Panik gebe es nicht, stellt der Rebschützer klar, doch würden die befallenen Anbauflächen besonders aufmerksam überwacht.Brachen bergen Infektionsgefahren

Müller treibt derweil noch eine andere Sorge um: brach liegende Rebflächen. Unbewirtschaftete und damit unbehandelte Wingerte seien ideale Infektionsherde für Mehltau - mit eventuell schwerwiegenden Folgen für benachbarte Weinberge. Brach liegende Flächen sollten deshalb gerodet werden, empfiehlt Müller. Das sieht auch eine Rodungsverordnung vor, zu der allerdings die passende Durchführungsverordnung und somit auch jede Druckmöglichkeit fehlt. Gegen den Widerstand der betroffenen Weinbergbesitzer sind die Landwirtschaftskammern deshalb machtlos.Die Rebstöcke beweisen unterdessen Widerstandskraft. Wochenlang trotzten sie erfolgreich Hitze und Trockenheit. Erst in den letzten Tagen hätten sich in den Weinbergen vereinzelt "Trockenstress-Symptome" gezeigt, berichtet Mader. So seien manche Trauben "nicht mehr so prall". Aber das sei "nicht so schlimm". Dank eines Junis mit hohen Temperaturen bei ausreichender Feuchtigkeit sei das Wachstum bislang äußerst positiv verlaufen: "Wir haben einen Vorsprung von drei Wochen im Vergleich zum 30-jährigen Mittel."

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