Im Mittelalter klingelt das Handy

WITTLICH. Handy im 14. Jahrhundert und knutschendes Liebespaar am Stadttor: Die Neuerungen im Säubrennerspiel fanden allgemeine Zustimmung.

Zehn Jahre jung ist sie im echten Leben, die Darstellerin der für Wittlichs Stadtgeschichte alles entscheidenden Sau. "Ich bin furchtbar aufgeregt", gestand Ramona Gärtner vor dem Säubrennerspiel im Gespräch mit dem Trierischen Volksfreund . Dabei war sie längst ein Routinier: Spielendes Kind und "Normalsau" war sie bereits in den vergangenen Jahren gewesen. Als Krönung nun die "Obersau", die laut Säubrennersage die Rübe im Stadttor abfraß und damit den Truppen des Ehrenbergers das Eindringen in die gut gesicherten Stadtmauern ermöglichte. Der siegreiche Ehrenberger alias Rolf Neuerburg meldete sich diesmal per Handy, was bei den Hunderten Zuschauern im "Amphitheater" gut ankam. Witzig auch die Erweiterung der Geschichte um ein sich hemmungslos küssendes Liebespaar. Auf dem Hochzeitertag am 3.3. 2003 hatten Evelyn und Andreas Marx spontan zugesagt, diese Rolle zu übernehmen. Einleuchtender erscheint nun die kleine Unaufmerksamkeit des Nachtwächters, der, abgelenkt durch die zärtliche Szene zweier Liebender, die hungrige Sau übersah. "Hodd d'r kään bääd dahääm?", fragt der Nachtwächter, das zärtliche Geplänkel gefühllos unterbrechend. Derart abgelenkt erscheint nun dessen kleine Unaufmerksamkeit, die der hungrigen Sau den Weg zur Rübe frei machte. Der anschließende Umzug zum Marktplatz, vorne die Zuschauer, dahinter sämtliche Darsteller, funktionierte reibungslos. Hier erst bekam der Ehrenberger von Schultheis Ralf Bußmer den Siegestrunk überreicht. Da der Bürgermeister im Eifer des Gefechtes seinen Krug im Stadtpark zurückgelassen hatte, reichte er den im - eigentlich noch dekorativeren - Rindshorn zum gemeinsamen Toast. Schillernde Farbenpracht der Kostüme und Kulissen

Damit war auch fürs gemeine Fußvolk der Belagerungstrunk zum Genuss frei gegeben. "Eine schöne Kirmes", erklang es auf dem ganzen Markt. Die Kirmes war eröffnet. Auch dies eine Neuerung in 2003, um den ohnehin veränderten Trink- und Feiergewohnheiten der Wittlicher Rechnung zu tragen, die auch ohne offizielle Kirmeseröffnung schon seit Jahren den Freitagabend zum geselligen Stelldichein nutzen. "Beeindruckend", urteilten später Andreas und Georg aus dem bebnachbarten Saarland. Auch ein japanisches Ehepaar, das seine in Wittlich lebende Tochter besucht, war begeistert. Sie haben zwar kein Wort verstanden, doch das scheint bei der schillernden Farbenpracht der Kostüme und Kulissen, bei den Fackeln und Pferden gar nicht mehr nötig zu sein. So sprach Schultheiß Bußmer zum siegreichen Ehrenberger: "Feldmarschall! Soldaten! Söldner des Ritters von Ehrenberg! Im Namen der Bürger unserer Stadt bitte ich, lasst ab von weiteren Greueltaten und der Plünderung unserer Stadt. Denn wenn du uns das letzte Geld abnimmst, können wir die soeben erhöhte Kreisumlage nicht mehr an die Steuereintreiber des Landkreises bezahlen."

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