Im Wechselbad der Wett-Gefühle

BERNKASTEL-KUES/BREMEN. Es war kein gewöhnlicher Samstagabend – zumindest nicht für Bernkastel-Kues. Denn wann ist man schon einmal der Austragungsort einer Außenwette in der Sendung "Wetten dass...?!", die diesmal in Bremen stattfand. Der 26-jährige Frederik Esser, machte aus rund 1500 Exemplaren vier DVD in einer Videothek ausfindig – blind.

"Bam-didel-dim-bam-baa-dam…", und wieder bahnt sich der Eurovisions-Ohrwurm seinen Weg ins Hörzentrum von zig-Millionen Zuschauern - das Startsignal für einen Fernsehabend mit Thomas Gottschalk, der lang und noch ein bisschen länger werden kann. Wie ein Kaugummi zieht sich die Zeit für Frederik Esser in Bernkastel-Kues. Bei gefühlten Minus-Graden wandert er in seinem leichten Hemd über den Parkplatz vor der Videothek. Die Hände sind zittrig, auf Fragen von Freunden antwortet er nur noch einsilbig. Ein rascher Blick auf seine Armbanduhr, der Kandidat weiß: Es sind nur noch wenige Minuten bis zum Auftritt vor Millionen-Publikum. Schnell noch Posieren für ein Bild mit seinen Freunden im Arm. Der Auslöser macht "klick", und Frederik flüchtet schnurstracks in die Videothek. Er spürt seinen Puls pochen. Schlag auf Schlag geht es weiter. Fünf Hufschmiede bearbeiten in Bremen ein heißes Eisen. Unermüdlich fliegen die schweren Hammer durch die Luft. Schweißtropfen bilden sich auf der Stirn der starken Männer. Frederik reibt sich die feuchten Hände. Wie ein Raubtier, das im Käfig lauernd an den Gitterstäben vorbeischleicht, läuft er die Regale ab. Video für Video, DVD für DVD schaut er sich kurz an. Kaum sind die lieblichen Klänge der "Ten Tenors" in Bremen verstummt, machen es sich Iris Berben und Robert Atzorn auf dem Sofa bequem. Sie präsentieren ihren neuen Film "Afrika. Mon Amour" - mit einem packenden Gefecht. Unzählige Gedanken schießen in Frederiks Kopf umher. Er zieht sein Hemd noch etwas aus der Hose, tippelt ein wenig von einem Fuß auf den anderen. Noch ein Schulterklopfer und ein "Hey, das schaffst Du locker" von Pastor Georg Moritz, und es geht los. "Wann hast Du das letzte Mal ein Video ausgeliehen?", fragt Moderator Gottschalk seinen Gast Otto Waalkes. "Wieviel Uhr haben wir gerade?", antwortet der Komiker. 20.45 Uhr: Die rund 60 Schaulustigen rücken vor der Videothek enger zusammen. Die Blicke allesamt auf einen kleinen Fernseher gerichtet, der das Geschehen überträgt. Gespannte Ruhe macht sich breit.Aufregung nach dem Fehlgriff

"Wir begrüßen Frederik Esser in Bernkastel-Kues. Guten Abend", spricht Gottschalk Frederik auf der Leinwand an. "Da ist er ja!", "Oh backe, sieht der adrett aus!": Die Bernkastel-Kueser grölen, lachen, klatschen. "Wir stehen hinter Dir", beteuert Wettpate Robert Atzorn. Sollte Frederik nicht die vier geforderten DVD-Titel blind in der Videothek finden, steht für den Schauspieler zusammen mit seiner Kollegin Berben ein Karaoke-Auftritt an. Nun gibt es kein Zurück mehr, denn: "Top, die Wette gilt!" Otto zieht aus der Schale mit etwa 1500 Titeln ein Los: "Sag kein Wort". "Hach, das schafft der!" "Easy", sind sich seine Freunde sicher, die schon so weit an den Fernseher gerückt sind, als wollten sie am liebsten gleich hineinsteigen. 50 Sekunden später: Frederik greift nach dem richtigen Film. "Klasse, ich wusste, dass er es schafft." "Spitze!", die Menge vor der Videothek tobt. Cosma Shiva Hagen fischt das zweite Los heraus: "From Hell" - Frederiks kurzzeitiger Untergang, wie sich herausstellt. "Oh nein, Mist", "Ach, der richtige war nur eine Reihe drunter." Ein weiterer Fehlgriff bedeutet das Aus. Die Anspannung wächst. "Hals über Kopf" heißt der nächste Film. Findet er ihn? "Hach, Gott sei Dank", zeigen sich die 50 Bernkastel-Kueser erleichtert. Als Frederik zudem "Double Zero" und "Stargate Kommando SG 19.9" aus dem Regal holt, ist die Welt wieder in Ordnung. Mit "Frede, Frede"-Rufen heißen sie ihren persönlichen Sieger des Abends auf dem Parkplatz willkommen. Frederik zündet sich erstmal erleichtert eine Zigarette an. Er kann sogar wieder ein wenig lachen. Zusammen mit seinen Freunden geht er die Standorte der DVDs durch, plaudert locker und wartet gemeinsam mit dem noch verbliebenen harten Kern seiner Fans auf den Wettkönig-Ted. 22.40 Uhr: "Da ist unser Held", stellt Gottschalk Frederik als zweiten Wettkönig-Kandidaten vor. Leuchtende Handy-Displays schwirren durch die Dunkelheit des Parkplatzes. Rund 20 hartgesottene Fans opfern ihre letzten Frei-Minuten, um "ihren" Frederik zum König zu machen. Ein Klingeln verkündet: Der Sieger steht fest - eindeutig. Der grüne, kurze Balken entpuppt sich als Ergebnis für Frederiks Wette. 2000 Euro sind sein Gewinn. Betretenes Schweigen auf dem Parkplatz. "Egal, er hat seine Wette gewonnen", trösten sich die Fans. Kurz darauf kommt Frederik aus der Videothek - mit einem Achselzucken und einem traurigen Gesicht. Aber der DVD-Ertaster wird klatschend von seinen Fans in Empfang genommen. Seine Freundin muss ihn erstmal ein wenig trösten. Währenddessen steht er wieder einsam und verlassen da, der Fernseher. Alles, was er noch zu bieten hat, ist ein leises "Bam-didel-dim-bam-baa-dam…"Weiterer Bericht: Seite 14

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