Inkontinenz trifft Impertinenz

WITTLICH. Ein Blind Date ist immer aufregend. Wenn sich dabei die Vollblut-Komödianten Alice Hoffmann und Detlev Schönauer begegnen, ist es außerdem auch noch zum Brüllen komisch. Der TV präsentierte die beiden im Hotel Lindenhof.

"Wie spät ist es denn?" Bereits vor dem eigentlichen Auftritt lief eine verstörte Alice Hoffmann durch die Reihen und fragte das Publikum nach der genauen Uhrzeit. Kein Wunder, war die Dame doch für acht Uhr zu einem Blind Date in Jacques Bistro verabredet. Erkennungszeichen: eine originelle rote Rose im Knopfloch. Die steckte sich Alice Hoffmann alias Vanessa Backes auch frühzeitig an und outete sich somit für den überraschten Detlev Schönauer, Besitzer des Bistros, und zweite Hälfte des Blind Dates. Der blieb allerdings lange inkognito ob derart überschäumender Kreativität, hemmungsloser Gefräßigkeit und eines Mundwerks das seinesgleichen sucht. Erst ganz am Ende wagte Jacques es, seine Rose auf der Brust zu zeigen - und glücklich zogen die beiden von dannen.Liebesgedicht vom Bostalsee

Dazwischen lagen mehr als zwei Stunden komödiantischer Höchstleistung. Wenn der eingewanderte Franzose und die saarländische Ureinwohnerin sich über die korrekte deutsche Ausdrucksweise streiten, wenn eine aufgeregte ältere Dame händeringend nach dem richtigen Wort für ihre Inkontinenz sucht und sich im verbalen Gestrüpp zwischen Impertinenz und Inkonsequenz verirrt. Oder wenn der Bistrobesitzer sich ausführlich über den Gang zur Toilette auslässt - die Lacher waren den Künstlern im Hotel Lindenhof sicher. Der digitale Applausknopf an Jacques Flügel wäre gar nicht nötig gewesen. Der Volksschulhochkurs "Autowerkstatt", in dem Vanessa sich mit der Dichtung beschäftigen lernt, entpuppt sich bei genauer Nachfrage als Zirkel von Hobbydichtern. Eine Kostprobe ihrer literarischen Ergüsse präsentierte sie auch in Wittlich. Die "Steine im Sand", ein trauriges Liebesgedicht vom Bostalsee, wahlweise mit oder ohne Reime, von einem staunenden Jacques willig am "Geflügel" begleitet. Wie Alice Hoffmann, die übrigens im wirklichen Leben nicht die Gnade ihrer Geburt, sondern eine spätere Freiwilligkeit zur Saarländerin gemacht hat (!), es schafft, einen wahren Berg von Sprühsahne in sich hinein zu stopfen, ohne dass ihr schlecht wird, bleibt ihr Geheimnis. Dass sie jedoch mit der zunächst von Jacques servierten Zwei-Kalorien-Torte - ein Stück Kuchen kleiner als ein Daumennagel - nicht zufrieden war, leuchtet ein: Die Zeit der Diäten hat sie, mehr oder weniger glücklich, aber endgültig getrennt von ihrem einstigen Gatten, längst hinter sich gelassen. Dafür wartet sie mit anderen, bestechenden Fähigkeiten auf. Neben der Dichtung betört sie mit den hohen Künsten des Gesangs - im Repertoire: Lieder von Zarah Oleander -, des Steppens und des Philosophierens über Pälzer, Afrikaner und den Mann an sich, der in ihrem Weltbild als einziges Geschöpf keinerlei Toleranz verdient. Detlev Schönauer brilliert mit konkreten Vorstellungen einer rundum modernisierten katholischen Messe. Seine Vorschläge, die beliebig erweitert werden können: Priester in Glitzerkostümen stimmen temperamentvolle Variationen bekannter Songs an, wobei er weder vor der Biene Maja noch vor Udo Jürgens oder der Konstantin-Wecker-Ikone "Willi" nicht halt macht.Am Ende glücklich Hand in Hand

"Wer um Himmels Willen waren die Epheser, und welcher junge Mensch weiß heute noch, was ein Brief ist?" Folgerichtig lässt er seine Priester Paulus-Emails vom Altar herunter verlesen. Mit jeder Menge "Klosterfraus Gewissen beißt" und Williams, der "nur Spuren von Alkohol" aufweist, trinken sich Vanessa und Jacques mit wachsender Begeisterung das Leben schön: Diese Getränke schärfen sozusagen die Sinne und helfen dabei, dass sich die beiden am Ende glücklich an den Händen halten können.

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