Jahrtausendhochwasser der Mosel von 1784

Im Februar 1784 ereignete sich an der Mosel ein Jahrtausendhochwasser. Professor Dr. Joachim Sartor von der Hochschule Trier hat sich mit den Ursachen der Katastrophe im Kreisjahrbuch 2010 Bernkastel-Wittlich befasst. Nachfolgend der Beitrag in gekürzter Form.

 Dieses Foto entstand im Jahr 2007 bei einem mittleren Hochwasser in Reil – kein Vergleich zu 1784, als die Mosel mehrere Meter höher stand. Foto: TV-Archiv/Winfried Simon

Dieses Foto entstand im Jahr 2007 bei einem mittleren Hochwasser in Reil – kein Vergleich zu 1784, als die Mosel mehrere Meter höher stand. Foto: TV-Archiv/Winfried Simon

Traben-Trarbach. Wer in den Moselorten die zahlreichen Hochwassermarken an alten Häusern, Kirchen, Brücken und so weiter betrachtet, dem fällt meist eine Marke besonders ins Auge, nämlich diejenige vom Februar 1784. Im Regelfall überragt sie die übrigen Marken bei weitem und ist oft mit Zusätzen wie "Eisstau" oder "Eisgang" versehen.
Am Rathaus Trarbach findet sich sogar eine entsprechende Gedenktafel. Dank zahlreicher Berichte in alten Kirchenbüchern und Ortschroniken lässt sich das damalige Geschehen recht gut nacherleben.
Voraus ging der extrem heiße Sommer 1783, in dem Brunnen versiegten und Niedrigwasserstände auftraten, die das Durchwaten der Mosel mit trockenem Oberkörper erlaubten. Es folgte ein für heutige Zeiten unvorstellbar harter Winter, in dem Menschen unter anderem in ihren Betten erfroren sind. Wiederholte Kältewellen ließen die Mosel mehrfach zufrieren. Den ausführlichsten Bericht darüber hat der Trierer Privatgelehrte Ludwig Müller verfasst. Er berichtet indirekt von Schneemassen bis zu etwa 1,50 Meter Höhe, in denen viele Menschen auf dem Feld umkamen. Wegen des hohen Schnees kamen auch die Bauern nicht mehr in die Stadt, wodurch Brennholz knapp und teuer wurde. Zudem sei auf dem Land hin und wieder Krach wie Pistolenschüsse zu hören gewesen. Hinterher stellte sich heraus, dass es vor Kälte geborstene Bäume waren.
In der zweiten Februarhälfte erfolgte dann ein gravierender Witterungsumschwung in Form eines Warmlufteinbruchs. Einsetzender Starkregen traf auf die Schneemassen, sodass Schneeschmelz- und Regenwasser gemeinsam über den gefrorenen Boden und über die (noch) zugefrorenen Gewässer zum Abfluss kam.
Wohl durch den so erzeugten (hydrostatischen) Überdruck brach das Eis der Mosel laut Ludwig Müller am 23. Februar gegen 19 Uhr. Die Mosel stieg dann weiter an unter Mitnahme von totem Vieh, Mobiliar, Fässern, Langholz, Eis etc. bis zum Höchststand am 28. Februar zwischen 12 und 13 Uhr. Dies ist deshalb erwähnenswert, da dieser große zeitliche Abstand von über vier Tagen zwischen dem Aufbrechen der Eisdecke und dem Wellenscheitel eindeutig gegen den oft zitierten Eisstau als Ursache für den Höchstwasserstand spricht. Hinzu kommt, dass weder ein amtlicher Längsschnitt von 1905 noch zwei im Rahmen von Diplomarbeiten gefertigte Längsschnitte (anhand eingemessener Hochwassermarken) beim Wasserspiegel-Verlauf dieses Ereignisses nennenswerte Unstetigkeiten beziehungsweisse Sprünge aufweisen. Solche hätten bei einem durch Eisstau bewirkten Maximalwasserstand erkennbar sein müssen. Es bleibt also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzuhalten, dass der Höchststand nicht durch Eisstau, sondern durch gewaltige Wassermengen hervorgerufen wurde. Es steht keineswegs im Widerspruch zu dieser Feststellung, dass dennoch kurz nach Aufbrechen der Eisdecke, also bei anlaufendem Hochwasser, lokale Eisstaue in einigen der engen Moselschleifen auftraten, wo sich abtreibende Eisschollen verkeilten. Hierdurch kam es dann wohl zu rasanten Wasserspiegelanstiegen mit springflutartigen Überschwemmungen. In unserem Kreisgebiet traf es besonders Enkirch und den Traben-Trarbacher Stadtteil Litzig (damals noch selbstständig).
Unterhalb von Enkirch hatte sich eine Eisbarriere aufgebaut, wodurch innerhalb weniger Stunden Straßen und Häuser im Unterdorf überflutet wurden. Von Litzig seien nur noch wenige Dächer und Hausgiebel zu sehen gewesen. Aufgrund des Dröhnens der splitternden Eismassen hatten sich jedoch die Einwohner rechtzeitig in Sicherheit gebracht.
Einem Aufsatz von Albert Reitenbach sind weitere Details entnehmbar, wie zum Beispiel eine namentliche Schadensliste von rund 50 Hauseigentümern in Enkirch und Litzig. Weiterhin erscheint die quasi kontinuierlich zunehmende Spiegeldifferenz zwischen Trier (knapp 1 m) und Cochem (1,84 m) zum Hochwasser von 1993 beachtenswert. Dies lässt auf seinerzeitige außergewöhnlich hohe Zuflüsse aus Eifel und Hunsrück schließen. Ein Indiz hierfür dürften auch Berichte sein, wonach in Klüsserath ein Haus von den Fluten der Mosel und der dort mündenden Salm zerstört wurde, in das zuvor rund vierzig Menschen geflüchtet waren. Sechzehn von ihnen kamen dabei ums Leben.Da im Gegensatz zu kleineren und mittleren Hochwassern bei den Extremereignissen kein Trend nachweisbar ist, kann mittels moderner statistischer Methoden dem "Jahrtausendereignis" von 1784 ein Wiederkehrintervall von weit über 500 Jahren zugeordnet werden.
Dagegen erweist sich das "Jahrhunderthochwasser" von 1993 lediglich als etwa 50-jährliches Ereignis.

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