"Jetzt ist sie aufgehängt, die Gedenktafel"

Die Gedenktafel für die Juden der Stadt Traben-Trarbach haben am Dienstag dieser Woche Bedienstete des städtischen Bauhofs am Mittelmosel-Museum angebracht. Dafür musste die Goethe-Erinnerungstafel weichen. Diese soll nun an anderer Stelle befestigt werden. Bei vielen Bürgern der Stadt stößt dies auf Kritik, ebenso die Tatsache, dass die Enthüllung der Tafel unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgte.

Traben-Trarbach. Man muss schon den Kopf recken und genau hinschauen, um die Gedenktafel für die ermordeten und verfolgten Juden der Stadt zu entdecken. In über drei Metern Höhe hängt sie nun seit Dienstag dieser Woche an der Außenwand des Mittelmosel-Museums zur Moselstraße hin. Deutlich ist am abgebröckelten Verputz zu erkennen, dass vorher eine andere Tafel dort befestigt war.

Seit rund 100 Jahren hing genau an dieser Stelle die „Goethetafel“, die an den Besuch des Dichterfürsten in Traben-Trarbach im Jahre 1792 erinnert. Diese Goethetafel wird nun, so Stadtbürgermeisterin Heide Pönnighaus, an anderer Stelle angebracht, und zwar an der Wand zur Casinostraße hin. Die Gedenktafel für die Juden werde man, wenn das Museum neu verputzt sei, etwas tiefer hängen, etwa in Höhe der Fenstersimse. Diese Höhe sei auch deshalb gewählt worden, um Schmierereien zu verhindern. Gestern Morgen, 9 Uhr: Der TV hatte die Stadtbürgermeisterin um diesen Termin gebeten, um sich die Gedenktafel vor Ort anzuschauen. Gekommen sind zwei weitere Pressevertreter und die Stadtbeigeordnete Monika Boor-Caspari. Stadtbürgermeisterin Heide Pönnighaus zieht einen Zettel aus der Tasche, liest vor, und weiht sozusagen offiziell die Gedenktafel ein. Sie sagt: „Jetzt ist sie aufgehängt, die Gedenktafel für die jüdischen Bürger der Stadt, die vor dem Zweiten Weltkrieg hier lebten und Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden. Der Stadtrat hat diese Gedenktafel und diesen Standort einstimmig beschlossen und ihr den Artikel 1 des Grundgesetzes ´Die Würde des Menschen ist unantastbar vorangestellt.“

Weiter sagt die Stadtbürgermeisterin, dass es beim Gedenken nicht primär auf die Stelle des Gedenkens ankomme, sondern vielmehr auf das Bewusstmachen. Pönnighaus: „Ich bleibe dabei: Gewalt ist nicht mit Gegengewalt zu vergelten. Das musste ich auch einer Anruferin, die die Tafel unbedingt am Rathaus sehen wollte, entgegnen, die meinte, der Standort müsse weh tun.“ Gegenüber dem TV sagte die Stadtbürgermeisterin, dass es keinen offiziellen Enthüllungstermin für die Tafel mit dem Stadtrat und den Bürgern geben werde. Dafür sei es jetzt auch zu spät. Als am Dienstag die Tafel befestigt wurde, reagierten zahlreiche Bürger verärgert oder gar empört. Georg Bauer, der direkt gegenüber vom Mittelmosel-Museum ein Hotel betreibt, und der mit seiner Idee zum Gedenken an die jüdischen Opfer „Stolpersteine“ in der Stadt zu installieren, das Thema als erster anstieß, ist entrüstet.

Bauer gestern Morgen kurz nach der „Einweihung“ gegenüber dem TV: „Das alles ist sehr respektlos, vor allem den jüdischen Opfern gegenüber. Wenn das die offizielle Einweihung gewesen sein soll, ist das nur noch traurig.“ Zahlreiche andere Bürger und der Auschwitz-Überlebende Martin Schmitz, der in Traben-Trarbach seine Jugend verbrachte, hatten in Gesprächen und Leserbriefen gefordert, die Tafel am Trarbacher Rathaus anzubringen – an dem Ort, von wo aus die Verfolgungen ausgingen.

Meinung

Beschämend

Niemand wird der Stadtbürgermeisterin oder dem Stadtrat unterstellen, sie würden bewusst den Mord an den Juden während der Nazizeit verharmlosen. Heide Pönnighaus war in der Gedenkstätte Yad Vaschem, und sie hat andere Gedenkstätten besucht. Umso unbegreiflicher bleibt, warum die Stadt mit diesem Thema so unsensibel umgeht. Unbeugsam blieb der Stadtrat bei seiner Auffassung, dass die Gedenktafel am Museum und nicht am Rathaus angebracht werden muss. Das war schon kaum nachvollziehbar. Was dieser Tage nun geschehen ist, ist nicht nur unbegreiflich, es ist beschämend. Sozusagen in einer "Nacht- und Nebelaktion" wurde die Tafel nun am Museum in einer Höhe angebracht, wo sie kaum jemand sieht. Besonders schlimm aber: Die Vorgänge haben sich zu einem unwürdigen und dümmlichen Possenspiel entwickelt, bei dem der eigentliche Sinn und Zweck auf der Strecke bleibt - die Erinnerung an die Ermordung und Verfolgung der Traben-Trarbacher Juden.

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