Junge Frau mit Überblick

ENKIRCH. Es gibt nicht viele Berufe, die einem körperlich so viel abverlangen, wie der des Dachdeckers. Schwindelfrei muss man sein, muss schwere Lasten heben und balancieren und muss bei Wind und Wetter in meist gebückter oder kniender Haltung arbeiten. Kein Wunder, dass nur sehr wenige Frauen diesen Beruf ergreifen. Eine davon ist Sonja Spier aus Enkirch.

 Sonja Spier arbeitet gerne als Dachdeckerin. Derzeit deckt sie mit ihren Kollegen in Burg das Dach eines alten Fachwerkhauses. Foto: Winfried Simon

Sonja Spier arbeitet gerne als Dachdeckerin. Derzeit deckt sie mit ihren Kollegen in Burg das Dach eines alten Fachwerkhauses. Foto: Winfried Simon

Teures Make-up, Lippenstift und Nagellack, das ist nichts für Sonja Spier. Die 24-Jährige sieht auch ohne solche Hilfsmittelchen gut aus. Will man die junge Frau mit dem sonnengebräunten, fröhlichen Gesicht und den raffiniert nach hinten geflochtenen blonden Haaren auf ihrer Arbeit besuchen, muss man nach oben steigen. Genauer gesagt aufs Dach. Sonja Spier ist Dachdeckergesellin. Ihr Handwerkszeug sind Schieferhammer, Schieferbrücke und Latthammer. Ein Arbeitsleben im Büro - für Sonja Spier unvorstellbar. Wie kommt eine junge Frau dazu, den Beruf der Dachdeckerin zu ergreifen? "Ganz einfach, weil ich das immer schon wollte", sagt sie, ohne lange zu überlegen. Nach der Realschule hat sie zunächst eine Malerlehre absolviert und abgeschlossen und sofort im Anschluss im Dachdeckerbetrieb ihres Onkels Michael Spier erneut als Lehrling angefangen. "Entweder Maler oder Dachdecker - das waren schon immer meine zwei Berufswünsche. Jetzt hab' ich halt beide Berufe gelernt", sagt Sonja Spier. Bereits als 13-, 14-Jährige konnte sie mit Stichsäge und Schlagbohrer umgehen und half ihrem Vater oft zu Hause beim Werkeln und Bosseln. Und was gefällt ihr so gut an dem Beruf? "Man sieht nachher, was man gemacht hat", gibt sie als erstes zur Antwort.Viel Zeit zum Nachdenken

Wir haben die junge Frau dieser Tage in Burg besucht. Das, was sie dort gemacht hat, kann sich wirklich sehen lassen. Das Dach eines alten Fachwerkhauses wird komplett mit Naturschiefer neu eingedeckt. Das erfordert großes handwerkliches Geschick. Zum Beispiel, wenn sie die Dachkehlen deckt. Solche handwerklichen Herausforderungen machen ihr besonders viel Spaß. Viel mehr, als zum Beispiel ein Dach mit Dachpfannen zu decken. "Die werden einfach draufgeschmissen und fertig." Sonja Spier hat das Glück, dass ihr Betrieb hauptsächlich Schiefer deckt. Bis nach Hamburg und bis in die Schweiz ist sie mit ihren drei männlichen Kollegen bereits gefahren, um in der Ferne Aufträge auszuführen. Ein schön gedecktes Schieferdach, das gefällt Sonja Spier. "Ein Fachmann erkennt sogar, wer es gedeckt hat", sagt sie. Jeder habe so seinen eigenen Stil. "Je höher, desto besser"

Und weil sie die Weite liebt - irgendwann möchte sie mal am Meer leben - kommt ihr ihr luftiger Arbeitsplatz zugute. "Je höher, desto besser", sagt sie. Und weiter: "Wenn man stundenlang Schieferplatten aufs Dach nagelt und dabei gelegentlich mal in die Ferne blickt, dann hat man auch viel Zeit zum Nachdenken. Ja, ich habe einen schönen Beruf."

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