Kästner und Pellkartoffeln

WITTLICH. In 80 Fernseh- und Kinofilmen hat er mitgespielt, sein Gesicht ist bekannt, etwa aus Serien wie "Der Fahnder". Weniger bekannt ist, dass der Berliner Hans-Jürgen Schatz erfolgreich und unermüdlich mit Lesungen durch Deutschland tourt. Am Samstag kommt er nach Wittlich. Der TV hat Hans-Jürgen Schatz befragt.

Die Stadt Wittlich, die Sie am Samstag besuchen, nennt man auch Säubrennerstadt: Was geht Ihnen dazu durch den Kopf? Hans-Jürgen Schatz: Schnapsbrennerstadt klingt sympathischer. Erich Kästner steht auf dem Programm. Sein Werk haben Sie ja freiwillig zu Ihrer beruflichen Daueraufgabe gewählt. Gibt es ein Kästner-Zitat, das Ihnen seither auch im Alltag gern über die Lippen kommt? Schatz: Es gibt so viele Zeilen, die aktuell geblieben sind und zum täglichen Leben passen. Aber unübertroffen ist: Es gibt nichts Gutes - außer: man tut es. Kästner ja gilt nicht als Verächter des Lächelns: Welchen Witz, welche Form von Humor lieben Sie - eher freundlich, eher schwarz? Schatz: Jede intelligente Form von Humor ist l(i)ebenswert. Warum ist Lachen gesund? Schatz: Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Wer mit Sprache arbeitet, kann gewiss auch zu den Themen Rechtschreibreform und Anglizismus etwas sagen. Ihr Kommentar? Schatz: Oh - ein weites Feld. Jeder beklagt den Verfall der deutschen Sprache, aber niemand tut etwas dagegen. Unser Wortschatz wird täglich kleiner. Die deutsche Sprache ist von staunenswertem Reichtum, den die meisten Menschen nicht nutzen. Anglizismen sind nicht immer zu vermeiden, aber in vielen Fällen ausgesprochen falsch. Das Meiste könnte man auf deutsch sagen. Was ich von der Rechtschreibreform kenne, ist ausgemachter Blödsinn, an dem aber gewiss eine Menge Menschen Geld verdienen. Welche deutsche Floskel mögen Sie besonders oder gar nicht? Schatz: Ich mag überhaupt keine Floskeln. Wissen Sie noch, was das erste Gedicht war, das Sie als Kind frei vortragen konnten? Schatz: Ehrlich gesagt: nein. Ich weiß nur, dass wir in der Schule Gedichte völlig falsch auswendig gelernt haben, nämlich Zeile für Zeile, und nachher kaum wussten, was wir das runter leierten. Ihr Lieblingsweihnachtslied? Schatz: Ich liebe die amerikanischen Vorweihnachtslieder. "Winterwonderland" oder "Silver Bells", gesungen von Sinatra oder Doris Day. Von den deutschen Liedern liebe ich die, die als Kind die meisten singen können und viele bis heute behalten. "Stille Nacht" ist unübertroffen, wenn es nicht im Kaufhaus gedudelt wird. Sie sind ja permanent unterwegs, aber was machen Sie an Heilig Abend: Gibt's privat ein Gedicht unterm Weihnachtsbaum? Schatz: Nein, keine Gedichte. Es wird ein ruhiger, hoffentlich schöner Abend mit Überraschungspäckchen und einem kleinen Abendessen, mit einem Baum und vielen Kerzen: "I' ll be home for Christmas"! Als Ihre Lieblingsspeise nennen Sie: Pellkartoffeln mit Quark, Schnittlauch und Leinöl: Sagen Sie, wann haben Sie das zum letzen Mal gegessen, gibt es das auch im Hotel? Schatz: Auf Hotel- und Restaurant-Speisekarten finden Sie solche Köstlichkeiten fast nie. Zuletzt - warten Sie: ja, in Essen, wo ich in einer Theaterwohnung selber kochen konnte. Wer Musik und Literatur liebt, der kann bestimmt sagen: Was ist ein Lebenskünstler? Schatz: Ja, was ist eigentlich ein Lebenskünstler? Wenn man es herausgefunden hat, ist es meistens zu spät. * Die Fragen stellte Redakteurin Sonja Sünnen Eintrittskarten für den literarischen Abend am Samstag, 4. Dezember, 20 Uhr, ehemalige Synagoge in der Himmeroder Straße in Wittlich gibt es im Alten Rathaus in Wittlich und an der Abendkasse.

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