"Kinder dürfen keine Pendler sein"

BERNKASTEL-KUES. Wer auf dem Land lebt, kann trotzdem weltoffen sein. Der Österreicher Sixtus Lanner reist durch die Welt, um den Menschen diese Botschaft näher zu bringen.

Als Franz-Josef Holzenkamp am 8. Januar 1960 im niedersächsischen Altenoythe (Kreis Cloppenburg) geboren wurde, studierte der Tiroler Sixtus Lanner (geboren 1934) in den USA und war vorher auch schon als Landarbeiter tätig gewesen. Es waren also zwei Generationen, die da in der Mosellandhalle in Bernkastel-Kues über das Thema "Ländlicher Raum" sprachen. Doch es war der Ältere, der dem Jüngeren bei der Mitgliederversammlung des Verbandes der Teilnehmergemeinschaften Rheinland-Pfalz den Rang ablief. Der Verband, der seinen Schwerpunkt bei den Flurbereinigungsverfahren (bauliche Beratung, Betreuung der Mitglieder, Bauausführung mit eigenem Personal und Maschinen) hat, hatte die beiden als Gastredner eingeladen. Zugegeben: Der CDU-Bundestagsabgeordnete und gelernte Landwirt Holzenkamp hatte es schwerer als der Mann aus Österreich. Der Politiker sprach in Vertretung von Peter Bleser, dem agrarpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, über die "Umsetzung der Koalitionsvereinbarung in den Bereichen Landwirtschaft und ländlicher Raum". Doch in erster Linie redete er über die Verdienste der CDU in den ersten Monaten der großen Koalition. Vieles von dem, was er zur zukünftigen Agrarpolitik sagte, mag wichtig sein. Für die zirka 250 Leute in der Halle gehört dies aber in die Kategorie "Graubrot". Damit reißt ein Referent niemanden mehr vom Hocker. Immerhin bekannte sich Holzenkamp zu dem, was auch von anderen Vertretern der Regierungsparteien zu hören ist. "Die Koalition ist zum Erfolg verdammt."Heimat ist auch schmeckbar

Ziemlich nüchtern hörte sich auch das Thema von Sixtus Lanner an: "Neue Strategien für den ländlichen Raum". Doch der Doktor für Bodenkultur, der unter anderem Direktor des österreichischen Bauernbundes und Mitglied des Parlaments war, unterhielt den Saal bestens, regte aber gleichzeitig zum Nachdenken und Innehalten an. Sein Credo: Die Menschen können heimatverbunden und trotzdem weltoffen sein. Die neuen Kommunikationstechniken ermöglichen es, von jedem Ort der Welt ins Geschehen einzugreifen. Der Begriff "Heimat" spiele in Österreich eine große Rolle, sagte Lanner. Er berichtete von der Kampagne "Der Geschmack der Heimat" (Kürbiskernöl aus der Steiermark, Marillen aus der Wachau etc.). Damit werde ein Lebensgefühl verkauft, sagte er. Um das zu erreichen, sei Zusammenarbeit notwendig. "Wer klug kooperiert, muss nicht fusionieren", argumentierte er. In Österreich gebe es viele Beispiele für diese Idee - speziell im touristischen Bereich. Diese strategischen Allianzen sieht er als Antwort auf die Globalisierung in einer "hektischen Welt". Wer Innovation und Tradition verbinde, biete etwas Besonderes und habe damit gute Chancen. "Dabei muss das Projekt aber so gut sein, dass es sich auch ohne Förderung tragen kann", sagte Lanner. Er ist auch davon überzeugt, dass in Zukunft mehr Leute von zu Hause aus arbeiten und sich auch von zu Haus aus bilden - Stichwort: Fernuniversität. Voraussetzung für eine gedeihliche Zukunft des ländlichen Raums: Ein gewisser Service, eine gewisse Grundausstattung muss vor Ort sein. "Ist die Post dafür da, Gewinne zu machen oder um Service anzubieten?", fragte er provokant. Jeder Ort müsse seine Grundschule haben, forderte Lanner. "Kinder dürfen keine Pendler sein. Wenn sie Pendler sind, werden sie auch später die Flucht ergreifen", sagte er. "Die Lehrer können pendeln, die Kinder nicht", sagte er unter dem Beifall der Zuhörer.

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