Klamms beklemmender Niedergang

BERNKASTEL-KUES. (mbl) Den beklemmenden Existenzkampf eines Lehrers zeigt ein Stück, mit dem das Trierer Stadttheater durch die Schulen zieht. Am Nikolaus-von-Kues-Gymnasium erzeugte die Aufführung Betroffenheit.

Mit verkniffenem Gesicht, die Aktentasche in der Hand, kommt Lehrer Klamm ins Klassenzimmer: "Guten Morgen - Sie brauchen nichts zu erwidern", geht sein "Gruß" an die Schüler. Goethes Faust steht auf dem Stundenplan seines Deutsch-Leistungskurses. Doch die Schüler haben Klamm schriftlich den Krieg erklärt. "Euer Brief ist ungeheuerlich", sagt Klamm und schreibt in großen Lettern an die Tafel: "Herr Klamm, hiermit erklären wir ihnen den Krieg". Grund ist der Tod des Schülers Sascha, dem Lehrer Klamm fünf Punkte gab, sechs Punkte aber hätte er zum Bestehen des Abiturs gebraucht - der Schüler erhängt sich. Der Leistungskurs gibt Lehrer Klamm die Schuld und boykottiert fortan mit Schweigen den Unterricht. Die Schüler am Nikolaus-von-Kues-Gymnasium (NKG) erleben hautnah den Ort der Handlung - als Statisten und Zuschauer zugleich. Die Szenen gehören zum Theaterstück "Klamms Krieg", das vor vier Jahren aus der Feder von Kai Hensle entstand. Es wird deutschlandweit aufgeführt, gehört zum derzeitigen Spielplan des Theaters Trier und geht gleichzeitig auf Diskussionstour durch Klassenräume. Klaus Michael Nix spielt in dem Ein-Mann-Stück den Lehrer Klamm erschreckend realistisch. Seine Mimik, die sich von aggressiv und autoritär über anbiedernd bis verzweifelt wandelt, zeichnet die emotionalen Stationen des Herrn Klamm nach, der an der "Vernichtungsstrategie seiner Feinde" zerbricht.Schüler nehmen am "Niedergang" teil

Die NKG'ler aus den Jahrgangsstufen elf und zwölf sind eingebunden in den vierwöchigen Unterrichtszeitraum bei Lehrer Klamm. Sie sind bei der Schultour gewollt Part des Stücks und nehmen - schweigend - unmittelbar teil am Niedergang des Pädagogen, der weder bei Schülern noch im Kollegium Rückhalt findet. Man kann ihn hassen, diesen verkniffenen Pädagogen mit seiner "Notenmacht", aber auch Mitleid haben mit dem einstigen Idealisten, der am "Zwangssystem Schule" scheitert. Der Krieg mit den Schülern scheint für ihn verloren, "denn der Lehrer wird alt und müde, sein Feind aber bekommt mit jedem Jahrgang neues, frisches Blut". An der fiktiven Schule redet niemand mit dem anderen - die Lage spitzt sich zu, der Lehrer gibt auf. Am Ende seiner letzten Stunde hält er sich eine Pistole an die Schläfe. Als Lehrer Klamm alias Schauspieler Klaus Michael Nix die Klasse ein letztes Mal verlässt, herrscht Stille im Raum - und Betroffenheit. Realitätsnah oder alles Theater? Das Stück liefert Stoff für Diskussionen. Schüler, Schauspieler und die Theaterpädagogin Sylvia Martin setzten sich im Gespräch mit der Situation Schüler-Lehrer auseinander. "Wir sind froh, dass es solche Lehrer hier nicht gibt", bemerken Julia und Katharina. Aber: eine über viele Schuljahre fruchtbare Zusammenarbeit könne nur funktionieren, wenn man im Gespräch bleibe, miteinander rede und Konflikte angehe, indem man einander respektiere und Schwächen auf beiden Seiten akzeptiere.Nicht alle Pädagogen aus dem gleichen Holz

Frei aufeinander zugehen und positive Kritik annehmen - darin sehen Nina und Maite wichtige Ansatzpunkte. So wie ein Lehrer sich immer wieder auf die unterschiedlichsten Schüler einstellen muss, so sind auch die Pädagogen nicht aus "gleichem Holz" geschnitzt. Dies bedeutet im täglichen Umgang miteinander eine Herausforderung für beide Seiten. Wissensvermittlung allein genüge nicht, die zwischenmenschlichen Probleme seien ebenso offen anzugehen, betonen die Jugendlichen. "Warum ist keiner der Schüler aufgesprungen und hat das innere Zerbrechen von Lehrer Klamm verhindert?", stellt eine Gymnasiastin die Frage in den Raum. Und was würde Klamm sagen: "Gebt doch euren Lehrern öfter mal ein Feedback, zeigt mit einem kollektiven Klopfen, dass euch die Stunde gefallen hat". Auch das gebe einem Lehrer das Gefühl: Hier werde ich wahrgenommen.

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