Klirrende Kälte und kleine Kostproben

WITTLICH. Aprilwetter im März: Zum verkaufsoffenen Sonntag wechselten sich Sonne und Schneefall munter ab. Wer richtig angezogen war, konnte Dampfnudeln, Waffeln und Glühwein im Freien genießen.

Das Stoßgebet hat den Wittlichern – man ist versucht, zu sagen: wie immer – geholfen: Die Tristesse der vergangenen Woche war schlagartig verschwunden. Immer wieder schaute zwischen den Schneeflocken auch die Sonne hervor. Zwar waren deutlich weniger Menschen im Städtchen unterwegs als an manch anderem verkaufsoffenen Sonntag. Es gibt sie nämlich durchaus, die Umziehmuffel, die keine Lust haben, sich in engen Umkleidekabinen aus mehreren Lagen Klamotten herauszuschälen, um die nächste Kluft anzuprobieren, die, wenn man Pech hat, vielleicht nicht passt. Dennoch war bereits am Nachmittag klar, dass der Schneefall das Gros der Kundschaft nicht davon abhielt, die zahlreichen Zusatzangebote der Wittlicher Kaufleute in Anspruch zu nehmen. Wem es kalt wurde, der konnte schließlich zu Waffeln, Dampfnudeln, Würstchen, Kartoffelklößen und Glühwein greifen, um sich von innen wieder aufzuwärmen. Und wenn der Nachwuchs auf dem Karussell zu frieren begann, wartete auf ihn die alkoholfreie Variante nur ein paar Meter weiter. Die Läden gleich welcher Branche boten personell alles auf, was aufzubieten war. „Wir sind gewappnet“, sagte Ellen von Rötel. Selbst in ihrem, in der Karrstraße gelegenen und damit ein paar Meter vom Marktplatz–Burgstraßen-Sog entfernten Schmuckgeschäft profitiere man vom verkaufsoffenen Sonntag, berichtete auch Anette von Rötel. „Wir stecken schon mitten im Kommunionsgeschäft.“ Sonderangebote hatte wahrscheinlich jeder Einzelhändler im Programm, dennoch sind die meisten weit davon entfernt, an einem solchen Tag billigen Ramsch zu verscherbeln. Margret Lütticken von D3-Herrenmode: „Wir locken mit frischen und fröhlichen Farben.“ Und tatsächlich: Auch der modebewusste Mann trägt in dieser Saison Farbe: rosé, kiwigrün und orange zum Beispiel. Bei Betten Kranz brummte es im Laden, die Angestellten hatten drinnen alle Hände voll zu tun, die Chefin draußen desgleichen. Der Erlös ihrer Waffeln ging nicht in die eigene Tasche. Den bekommen ohne Abzug bedürftige Kinder in Brasilien, die die Familie Kranz persönlich kennt. Wer eine neue Brille brauchte: Bitteschön, auch die gab es gestern zum günstigen Pauschalpreis. Vor der Tür haben sich ein paar Neustraßen-Geschäftsleute zusammengetan und bunte Wimpel quer über die Gasse gehängt. „Ein bisschen Farbe hat noch nie geschadet“, hatte sich Krass-Inhaber Josef Schneider gedacht und Recht behalten. Zwei verkleidete Gestalten verteilten in der Innenstadt Pröbchen des Friseures am Schlossberg. Besonders ergiebig war, wie stets, das Bummeln an den Verkaufsständen auf dem Markt und dem Platz an der Lieser. Direktvermarkter, die meist aus der Mosel-Eifel-Hunsrück-Region stammen, boten hier ihre Waren an, Kostproben inbegriffen. Da griffen die Besucher gerne zu, besonders bei den Schnäpsen: wieder eine Chance, sich von innen aufzuwärmen. Köstliche Wildsalami, Marmeladen wie von Muttern, Schafsfellschuhe, heimische Äpfel und Säfte daraus, ein Besenmacher, der seine Kunst auf dem Markt präsentierte, und neben winterhartem Thymian die ersten vorwitzigen Blüten: Osterglocken, Primeln und Hyazinthen. Zu kurz gekommen sein dürften gestern eigentlich nur die Eisdielen. Und selbst dort wurde vielleicht weniger Eis verköstigt und dafür mehr zum Aufwärmen: Kaffee, Kakao und Tee.

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