Klüngeln gegen Seilschaften

WITTLICH. Rund 70 Selbstständige, Existenzgründerinnen und "Unternehmerfrauen im Handwerk" aus der gesamten Region Trier waren zum "Klüngelabend" ins Wittlicher Casino gekommen. Das Ziel: in lockerer Atmosphäre Geschäftskontakte anbahnen. Eingeladen hatten die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten.

Frauen lieben es bunt: Vom uniformierten Auftreten bei männlich dominierten Veranstaltungen des Geschäftslebens, wo man Nadelstreifen in allen schwarzgrauen Nuancen bewundern muss und Krawatten die einzigen Farbtupfer sind, war beim "Klüngelabend" keine Spur. Eine Älplerin, Schafhalterin und Hundezüchterin in Personalunion kam in folkloristischem Schweizerrot, neongrün leuchtete das Outfit einer kreativen Näherin. Bunte Tupfer statt Nadelstreifen-Einheitsgrau

Die Kleiderordnung der Damen bewies so viel Individualität wie die Geschäftszweige, in denen frau die Selbstständigkeit wagt oder es zumindest versucht. Von der Fußpflegerin über die Versicherungsmaklerin bis zur Energy-Dance-Trainerin reichte die Palette. Es gab die Krabbelstubengründerin ebenso wie die Wirtschaftsinformatikerin, die eine Computerschule für Frauen ins Leben gerufen hat. In drei Runden wird "geklüngelt" - zunächst mit der Vorgabe, nicht über Job und Geschäft zu reden, die die Moderatorinnen des Abends, Uta Hemmerich Bukowski vom Beratungsbüro Diwiso in Trier und Beate Stoff, Qualitätsmanagerin und Sozialforscherin aus Osburg, ausgegeben hatten. "Die Kunst des small talks zur Kontakteröffnung ist schwieriger, als man denkt." Der Höhepunkt des Abends ist eine Tombola der anderen Art: Gestiftet werden Gutscheine für Dienstleistungen oder andere praktische Geschenke aus dem Geschäftsfeld der Stifterin, die ihre Arbeit vorstellen und für sich werben kann. Jede "Klüngel"-Teilnehmerin kommt in den Genuss eines konkreten Kontaktes und kann den bei Bedarf über die Veranstaltung hinaus vertiefen. Als Vorbild solcher Veranstaltungen gilt ein Buch von Anni Hausladen: "Die Kunst des Klüngelns". Vergleichbare Zusammenkünfte seien im rheinischen Raum schon erfolgreich verlaufen und erfreuten sich in der Region nun zunehmender Beliebtheit nach vorherigen Abenden in Trier und Kanzem. Das auf den ersten Blick wenig seriös wirkende Wort "klüngeln" bezeichne im Mittelhochdeutschen ein "kleines Knäuel" und stehe für Verwobensein ohne Institutionalisierung. "Wir haben den Begriff bewusst übernommen", erklärt Marita Singh, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Bitburg-Prüm, "um auch für Frauen jene Ebene zu öffnen, die Männern mit ihren Seilschaften, mit Thekengesprächen und anderen Formen der informellen Geschäftskontakte schon lange bereit steht." Bei aller Lockerheit der Zusammenkunft gehe es um ernste Hintergründe. Dagmar Pilzecker, Unternehmensberaterin aus Thalfang und Mit-"Klüngelerin", begrüßt diese Abende, auch wenn gerade bei solchen Anlässen deutlich werde, "dass Frauen ihre Berufsrolle als Unternehmerin erst noch finden und definieren müssen". Es zeige sich, dass Frauen den persönlichen Beziehungsaufbau sehr gut beherrschten, "aber im Business geht es vor allem um Strategie und auch um Macht, bezogen auf eine klar eingegrenzte, nicht-private Werkbasis". Gerade die Umbrüche auf den Märkten machen es Frauen schwer, sich jenseits der nicht mehr funktionierenden klassischen Rollen als Unternehmerin zu positionieren. Die aus dem "Klüngelabend" resultierende Idee, in der Region eine Art Akademie für Unternehmerinnen zu gründen, in denen Fach- und Rollenwissen vermittelt wird, findet sie gut.

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